Zusam­men­fas­sen­de Dar­stel­lung zum Urteil des OLG Schles­wig vom 30.11.2018 – 17 U 20/18.

Wird ein neu­es Man­dat begrün­det, stellt sich oft die Fra­ge, inwie­fern der neue Bera­ter für Pflicht­ver­let­zun­gen haf­tet, die noch von des­sen Vor­gän­gern began­gen und bei Man­dats­über­nah­me nicht auf­ge­deckt wur­den. Auch hier­über hat­te das OLG Schles­wig im vor­be­nann­ten Fall zu ent­schei­den.

 

Aus­gangs­fall

Die Klä­ge­rin beauf­trag­te die Beklag­te im Jahr 2011 unter ande­rem damit, im Rah­men der Lohn­buch­hal­tung die buch­hal­te­ri­sche Erst­ein­rich­tung neu­er Arbeit­neh­mer sowie die monat­li­chen Lohn- und Gehalts­ab­rech­nun­gen der Arbeit­neh­mer der Klä­ge­rin vor­zu­neh­men, so auch bei Mit­ar­bei­ter R, der ab dem 1. März 2013 bei der Klä­ge­rin beschäf­tigt war.

Ab dem 1. Janu­ar 2015 über­nahm eine X. GmbH das Man­dat.

Bei einer 2016 durch­ge­führ­ten Betriebs­prü­fung bean­stan­de­te die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung, dass bis zum 31.12.2015 kei­ne Arbeit­neh­mer­an­tei­le zur Ren­ten­ver­si­che­rung für R abge­führt wor­den sei­en. R war 1947 gebo­ren und sei fälsch­li­cher­wei­se als beschäf­tig­ter Alters­rent­ner (Regel­al­ters­ren­te) ein­ge­stuft wor­den, obwohl er kei­ne Voll­ren­te wegen Alters bezo­gen hät­te. Ins­ge­samt wur­den nach­zu­en­trich­ten­de Arbeit­neh­mer­an­tei­le in Höhe von 19.016,52 EUR fest­ge­setzt. Hin­zu kamen Säum­nis­zu­schlä­ge in Höhe von 5.387 EUR.

Die Klä­ge­rin mach­te die Beklag­te wegen Pflicht­ver­let­zung aus dem Steu­er­be­ra­ter­ver­trag haft­bar. Erst­in­stanz­lich bemän­gel­te die Beklag­te, dass die Klä­ge­rin nur unzu­rei­chen­den Vor­trag dazu gelie­fert hät­te, wel­che Infor­ma­tio­nen ihr betref­fend des R über­mit­telt wor­den sei­en. Auch wand­te sie ein Mit­ver­schul­den ein, erhob die Ein­re­de der Ver­jäh­rung und erklär­te eine Hilfs­auf­rech­nung mit eige­nen Hono­rar­for­de­run­gen in Höhe von 2.544,82 EUR. Die Klä­ge­rin hat die­sen Betrag aner­kannt und den Rechts­streit inso­weit ein­sei­tig für erle­digt erklärt.

Das LG Flens­burg hat eine Pflicht­ver­let­zung der Beklag­ten ange­nom­men und die­se mit Urteil vom 12.04.2018 (Az.: 4 O 113/17) zur Zah­lung von 24.403,52 EUR abzüg­lich der auf­ge­rech­ne­ten Hono­rar­for­de­run­gen ver­ur­teilt. Die Beklag­te ging in Beru­fung.

Das Urteil des OLG

Die Beru­fung war nur in gerin­gem Umfang von Erfolg gekrönt, näm­lich hin­sicht­lich der Kos­ten­ent­schei­dung, die das LG im Zusam­men­hang mit der Erle­di­gungs­er­klä­rung getrof­fen hat­te (was an die­ser Stel­le jedoch eben­so wenig the­ma­ti­siert wer­den soll, wie die vom OLG ver­nein­te Ver­jäh­rung der Ansprü­che). Im Übri­gen bestä­tig­te das OLG eine Pflicht­ver­let­zung aus dem auch die Lohn­buch­hal­tung umfas­sen­den Steu­er­be­ra­tungs­ver­hält­nis.

Pflicht­ver­let­zung

Ein steu­er­li­cher Bera­ter, der im Auf­trag des Arbeit­ge­bers die Lohn­ab­rech­nung besor­ge, hät­te grund­sätz­lich auch zu prü­fen, ob für Arbeit­neh­mer eine Befrei­ung von der Ver­si­che­rungs­pflicht in Betracht kom­me, wenn Bei­trä­ge nicht abge­führt wür­den. Ande­ren­falls müs­se er ent­we­der auf die Abfüh­rung der geschul­de­ten Bei­trä­ge hin­wir­ken oder bei Zwei­fels­fra­gen die Ein­schal­tung eines in Fra­gen des Sozi­al­ver­si­che­rungs­rechts beson­ders aus­ge­wie­se­nen wei­te­ren Bera­ters emp­feh­len. Zwar hät­te die Abfüh­rungs­pflicht hier nur bei Betrach­tung des Zusam­men­spiels von § 28 I Nr. 1 SGB III und § 5 IV Nr. 1 SGB VI erkannt wer­den kön­nen, die Beklag­te hät­te jedoch damit gewor­ben gewerb­li­che Man­dan­ten bei der Lohn- und Gehalts­ab­rech­nung „von allen steu­er­lich- und sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Fra­gen … ent­las­ten“ zu wol­len. Inso­fern hät­te die Ent­wick­lung eines hin­rei­chen­den Pro­blem­be­wusst­seins erwar­tet wer­den kön­nen. Dass die Beklag­te von der Klä­ge­rin offen­bar nur spär­li­che Infor­ma­tio­nen erhal­ten hat­te, hat das OLG dabei durch­aus berück­sich­tigt. Die Unter­la­gen der Klä­ge­rin hät­ten immer­hin die Sozi­al­ver­si­che­rungs­num­mer und das Geburts­da­tum des R ent­hal­ten. Dies hät­te die Beklag­te zum Anlass neh­men müs­sen, des­sen Ren­ten­be­zug zu hin­ter­fra­gen.

Mit­ver­schul­den

Frag­lich war wei­ter­hin, inwie­fern der Scha­den tat­säch­lich der Beklag­ten zuge­rech­net wer­den muss­te. Unpro­ble­ma­tisch sah das OLG dies hin­sicht­lich der Abfüh­run­gen als gege­ben an, die in den Zeit­raum fie­len, in dem die Beklag­te noch für die Klä­ge­rin tätig war. Eine Scha­den­min­de­rung nach Auf­de­ckung des Feh­lers sei auch nicht mehr mög­lich gewe­sen, weil die Arbeit­neh­mer­an­tei­le nach § 28g SGB IV nur inner­halb der nächs­ten drei Lohn- und Gehalts­zah­lun­gen hät­ten ein­be­hal­ten wer­den kön­nen.

Dass ab dem 1. Janu­ar 2015 eine neue Steu­er­be­ra­tungs-GmbH für die Klä­ge­rin tätig gewor­den war, die das bestehen­de Pro­blem nicht beho­ben hat­te, muss­te sich die Klä­ge­rin nach Ansicht des OLG eben­falls nicht als Mit­ver­schul­den ent­ge­gen­hal­ten las­sen:

„Die ab dem 1. Janu­ar 2015 in Nach­fol­ge der Beklag­ten täti­ge neue Steu­er­be­ra­tung hät­te die Ursäch­lich­keit der von der Beklag­ten gesetz­ten Fehl­ur­sa­che nur unter­bro­chen, wenn ihr Ein­grei­fen schlecht­hin unver­ständ­lich gewe­sen wäre oder es gera­de Auf­ga­be der neu­en Bera­tung gewe­sen wäre, etwa­ige Feh­ler der frü­he­ren Bera­tung auf­zu­de­cken und zu besei­ti­gen. Nur unter der­ar­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen könn­te ent­we­der von einer Unter­bre­chung des Zurech­nungs­zu­sam­men­hangs oder jeden­falls von einem inso­weit zure­chen­ba­ren Mit­ver­schul­den über­haupt die Rede sein. Anhalts­punk­te für der­ar­ti­ge Kon­stel­la­tio­nen lie­gen jedoch vor­lie­gend nicht vor.“

Dass die Klä­ge­rin selbst die Pflicht­ver­let­zung der Beklag­ten nicht bemerkt hät­te, wur­de vom OLG gleich­falls als unbe­acht­lich ein­ge­stuft. Es kön­ne nicht Auf­ga­be des Man­dan­ten sein, sei­ne Bera­ter und Dienst­leis­ter kon­ti­nu­ier­lich zu über­wa­chen, zumal, da die Beklag­te selbst ihre Man­dan­ten laut Wer­be­auf­tritt hät­te ent­las­ten wol­len.

Ass. jur. Rudolf Bau­er,

LL.M. Ver­si­che­rungs­recht