„Im Dschungel der Regulierung“
Als das P&R‑Kartenhaus 2018 in sich zusammenfiel und einer der größten Anlegerskandale der Bundesrepublik seinen Lauf nahm, war Branchenkundigen sofort klar, dass die Vermittler der von P&R aufgelegten Investments sich auf Schadensersatzforderungen enttäuschter Anleger würden einstellen müssen. Doch auch auf anderer Ebene drohte manchen von ihnen Ungemach. Exemplarisch zeigt das der folgende Fall …
Herr und Frau F hatten im Jahr 2014 eine größere Erbschaft gemacht und suchten nach einer Möglichkeit, das neugewonnene Vermögen sicher und doch gewinnträchtig anzulegen. Über Bekannte, langjährige P&R‑Zeichner, erfuhren sie von dem sogenannten Gebrauchtcontainer-Investitions-Programm des Grünwalder Unternehmens. Im März 2015 kam dann erstmals ein Kontakt zum Vermittler V zustande, der schwerpunktmäßig P&R‑Produkte vertrieb. Es folgte ein informatives Anschreiben an Familie F, dem auch ein Angebot und ein Prospekt von P&R beigefügt waren. Hierzu gab es einige Wochen später ein persönliches Gespräch zwischen den angehenden Anlegern und Vermittler V, dessen genauer Inhalt später streitig war. Im Oktober 2015 unterzeichnete Herr F schließlich einen Kauf- & Verwaltungsvertrag über P&R‑Container. Die Investitionssumme lag bei knapp 70.000 EUR.
Als die Probleme von P&R offenkundig wurden, mandatierte Herr F umgehend einen Rechtsanwalt, um zu retten, was (vielleicht) noch zu retten war. Und so sah sich V dann sehr schnell mit einem Forderungsschreiben konfrontiert, in dem ihm vorgeworfen wurde, er hätte nicht hinreichend auf die produktimmanenten Risiken hingewiesen, das Produkt hätte generell nicht der Risikoklasse von Herrn F entsprochen, diesem sei pflichtwidrig eine tatsächlich nicht vorhandene Sicherheit vorgegaukelt worden u.v.m. Es folgten seitenlange Ausführungen zu vermeintlich einschlägiger BGH-Rechtsprechung und die abschließende Aufforderung, den Anlagebetrag abzüglich der Mietzahlungen, die Herr F erhalten hatte, zu überweisen. Im Gegenzug würde man V die von F erworbenen Container übertragen.
V meldete den Fall – über uns – seinem Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer. Dieser forderte V zunächst auf, weitere Unterlagen und Nachweise beizubringen und bezog sich dabei maßgeblich auf §§ 11 ff. FinVermV (Statusbezogene Informationspflichten, Bereitstellung Informationsblatt, Offenlegung von Zuwendungen, Beratungsprotokoll etc.). Zugleich merkte man an, dass angesichts der anlegerseitig geäußerten Vorwürfe erhebliche deckungsrechtliche Bedenken bestünden, im Hinblick auf wissentliche Beratungspflichtverletzungen. Für V, der die vom Versicherer erbetenen Unterlagen nur bedingt beibringen konnte und der angesichts seines Geschäftsmodells befürchten musste, dass die Forderungen des F nur die Spitze des Eisbergs sein würden, kam die Rückmeldung seines Versicherers einer Katastrophe gleich. Diese war allerdings in mehreren Punkten angreifbar:
So kann allein auf Grundlage eines Forderungsschreibens (oder einer Klageschrift) natürlich nicht rechtsverbindlich auf eine wissentliche Pflichtverletzung geschlossen werden. Schließlich liegt es in der Natur der Sache, dass Anspruchsteller zur Begründung Ihrer Forderungen, die dem Berater anzulastenden Verstöße möglichst drastisch schildern, um diese erfolgreich durchzusetzen. Dies sollte aber für den Versicherer des Vermittlers keinen Notausgang darstellen. Dementsprechend sehen gute AVB zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung klarstellend vor, dass Versicherungsschutz in Form von Abwehrkosten unter der Bedingung gewährt wird, dass Vorsatz bzw. Wissentlichkeit nicht durch rechtskräftige Entscheidung, Vergleich oder Anerkenntnis festgestellt wird.
Außerdem unterlag der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer einem Irrtum hinsichtlich der rechtlichen Einordnung des streitgegenständlichen P&R‑Produktes. Dort ging man nämlich davon aus, dass es sich um eine sonstige Anlage im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG handelte („sonstige Anlagen, die einen Anspruch auf Verzinsung und Rückzahlung gewähren oder im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld einen vermögenswerten auf Barausgleich gerichteten Anspruch vermitteln,“) und somit eine Tätigkeit nach § 34 f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GewO vorgelegen hätte. Dies war jedoch tatsächlich nicht der Fall, insbesondere deshalb, weil P&R sich lediglich vorbehalten hatte, den Anlegern ein Angebot zum Rückkauf der Container zu unterbreiten. Es musste insofern sauber zwischen der zum Zeitpunkt der Schadensmeldung geltenden Rechtslage – 2017 hatte der Gesetzgeber nachgebessert („Lex P&R“) – und der Rechtslage im Zeitpunkt der Vermittlung differenziert werden – was zugegebenermaßen im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts eine echte Herausforderung sein kann.
Schlussendlich gelang es uns, den Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer davon zu überzeugen, dass hier nicht der (Pflicht-)Versicherungsschutz für Tätigkeiten nach § 34f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GewO einschlägig war, sondern die von V freiwillig abgeschlossene Zusatzdeckung speziell für die Vermittlung von Containerkaufverträgen. Da diesbezüglich nicht die strengen Vorgaben der FinVermV galten, wurde Abwehrschutz gewährt.
Fazit
Anders als V werden etliche andere Vermittler von P&R‑Verträgen – im Vertrauen darauf, dass P&R (zumindest nach außen hin) jahrzehntelang immer den vertraglichen Verpflichtungen gerecht geworden war – darauf verzichtet haben, diesen Aspekt ihrer Tätigkeit zu versichern. Hiervon kann nur eindringlich abgeraten werden. Auch die Vermittlung vermeintlich sicherer Produkte sollte nach Möglichkeit nicht ausgeübt werden, ohne dass die entsprechende Tätigkeit über eine Haftpflichtversicherung abgesichert ist. Auch bei korrekter Beratungsleistung ist man schließlich nicht davor gefeit, von enttäuschten Kunden haftbar gemacht zu werden. Und in Summe kann auch die Abwehr unberechtigter Forderungen – gerade, wenn man von mehreren Kunden gleichzeitig in Anspruch genommen wird – ebenso existenzgefährdende Ausmaße annehmen, wie ein einziger Fall, in dem man vielleicht tatsächlich einen Beratungsfehler begangen hat.