„Die verschwundene Police“
In der vergangenen Woche jährte sich die Einführung der Pflichtversicherung für Versicherungsvermittler zum zehnten Mal. Eigentlich dürfte es vor diesem Hintergrund seit dem 22.05.2007 keinem Versicherungsvermittler mehr sonderliche Schwierigkeiten bereiten, seinen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer zumindest zu benennen. Geht es dagegen um den Versicherungsschutz vor dem benannten Stichtag, ergeben sich manchmal ganz profane Probleme.
A. Haftungsebene
Die M‑GmbH war bereits seit Anfang der 90er Jahre als Versicherungsmaklerin tätig. Zu Ihrem Kundenstamm gehörte auch Herr A, dessen sämtliche Versicherungsverträge von der M‑GmbH betreut wurden. Dazu gehörte auch eine Wohngebäudeversicherung, die A nach Erwerb eines Eigenheims im Jahr 1999 abgeschlossen hatte. Nachdem A angebaut hatte, wurde 2006 eine Neuordnung dieses Vertrages notwendig. Dem vormaligen Geschäftsführer der M‑GmbH, Herrn B, unterlief dabei ein schwerwiegender Fehler. Irrtümlich versäumte er es, auch Leitungswasserschäden zu versichern, die bis dahin zum versicherten Risiko gehört hatten. Dieser Fehler fiel auch in den Folgejahren nicht auf.
2011 verkaufte B die M‑GmbH an Herrn C, der fortan auch die Geschäftsführung übernahm.
Mitte 2013 wurde der Fehler des B schließlich offenbart, als es zu einem erheblichen Leitungswasserschaden an dem versicherten Objekt kam, dessen Regulierung der Wohngebäudeversicherer ablehnte. A forderte daraufhin von der M‑GmbH Schadensersatz in Höhe von knapp 20.000 EUR.
B. Deckungsebene
Auf Deckungsebene begannen die Probleme für die M‑GmbH bereits mit der Frage, welchem Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer der Vorgang wohl zu melden wäre. Denn seit Aufnahme der Maklertätigkeit hatte die M‑GmbH mehrfach den Versicherer gewechselt, u.a. eben zum 22.05.2007, später dann noch einmal zum 22.05.2012.
Maßgeblich für den Versicherungsfall ist nach den AVB bekanntlich der Verstoß, also die Pflichtverletzung des Maklers. Dieser erfolgte 2006. Dass man bei der M‑GmbH in den Folgejahren noch verschiedentlich die Möglichkeit gehabt hätte, den Fehler des B zu korrigieren, war dagegen unbeachtlich, weil ein sog. Verstoß durch Unterlassen nur dann in Betracht kommt, wenn es keinerlei aktives Handeln gab. Die Meldung hatte also an denjenigen Versicherer zu erfolgen, bei dem die M‑GmbH 2006 versichert war. Weil B jedoch bei seinem Ausscheiden aus der GmbH neben persönlichen Unterlagen teilweise auch die Versicherungsscheine und Nachträge zu den vormaligen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen mitgenommen hatte, war dies zunächst nicht möglich. Da B zwischenzeitlich unbekannt verzogen war, blieb C nur eine aufwendige, hausinterne Recherche. Diese blieb ergebnislos — abgesehen von einigen unvollständigen Seiten aus Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die keinem bekannten Vertrag zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung zugeordnet werden konnten.
Als betreuender Makler der aktuellen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung konnten wir anhand des uns vorliegenden Antrags zunächst den Vorversicherungsvertrag der M‑GmbH in Erfahrung bringen. Rückfragen bei dem entsprechenden Versicherer ergaben allerdings, dass dessen Vertrag mit der M‑GmbH erst zum 22.05.2007 begann. Über Informationen, bei welchem Versicherer die B‑GmbH 2006 versichert war, verfügte man nicht. Wir haben uns daraufhin nochmals die von C gefundenen AVB angesehen. Anhand des Druckbildes und einzelner Formulierungen konnten wir diese schließlich einem namhaften Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer, der Z‑AG, zuordnen. Trotzdem blieb die erhoffte Deckungszusage zunächst aus. Denn die M‑GmbH war offenbar zu keinem Zeitpunkt VN der Z‑AG gewesen. Erst mithilfe eines Überweisungsbeleges zu einer 2006 an die Z‑AG veranlassten Zahlung, gelang es schließlich, die Versicherungsscheinnummer in Erfahrung zu bringen. Es stellte sich heraus, dass die M‑GmbH seinerzeit nur über einen Gruppenvertrag mitversichert gewesen war und deshalb nicht selbst namentlich bei der Z‑AG geführt wurde. Nachdem dies geklärt war, konnte endlich die eigentliche, deckungsrechtliche Prüfung beginnen, die mit der Regulierung des dem A entstandenen Schadens endete.
C. Fazit
Dass Vermittler mit Schadensersatzforderungen konfrontiert werden, die eine etwaige Falschberatung vor dem 22.05.2007 betreffen, kommt zwar immer seltener vor, ist aber auch nicht ausgeschlossen. Denn nicht in jedem Fall kann sich der Vermittler erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen. Zudem ist auch nicht jeder Anspruchsteller geneigt, die Verjährung der ihm (vermeintlich) zustehenden Ansprüche zu akzeptieren. Deshalb benötigt der Vermittler auch im letztgenannten Fall umso dringender Versicherungsschutz (Abwehrschutz), je höher der Streitwert ist. Insofern können wir — eigentlich eine Selbstverständlichkeit — nur immer wieder empfehlen, auch diejenigen Vertragsunterlagen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung aufzubewahren, die die Zeit vor dem 22.05.2007 betreffen.