Ver­kau­fen, ver­kau­fen, ver­kau­fen!

Als die Coro­na-Kri­se im Febru­ar 2020 an Fahrt auf­nahm und auch vor den Akti­en­märk­ten nicht Halt mach­te, ent­schie­den sich vie­le Anle­ger aus Sor­ge vor Kurs­ver­lus­ten ihre Depots auf­zu­lö­sen. In aller Eile wur­den Ban­ken und Ver­mitt­lern ent­spre­chen­de Ver­kaufs­or­der erteilt. Eini­gen ging die Umset­zung dann jedoch nicht schnell genug …

Seit 2016 hat­te Anle­ger A ver­schie­dent­lich die Diens­te von Finanz­an­la­gen­ver­mitt­ler F in Anspruch genom­men. Am 6. März 2020 mel­de­te sich A tele­fo­nisch bei F und dräng­te dar­auf, sei­nen kom­plet­ten Depot­be­stand – ver­schie­dens­te Antei­le an inlän­di­schem offe­nen Invest­ment­ver­mö­gen – schnellst­mög­lich zu ver­kau­fen. F wies dar­auf hin, dass er dies bekannt­lich nicht ohne wei­te­res ver­an­las­sen kön­ne. A müs­se ihm einen unter­schrie­be­nen Ver­kaufs­auf­trag zur Ver­fü­gung stel­len, ger­ne wür­de er die­sen dann an die Depot­bank wei­ter­lei­ten. Man kam über­ein, dass F die Ver­kaufs­or­der vor­be­rei­ten und dem F zur Unter­schrift über­sen­den sol­le. Bei­des wur­de noch am glei­chen Tag ver­an­lasst. Als F die Ver­kaufs­or­der dann am Abend des 6. März, einem Frei­tag, an die Bank wei­ter­lei­ten woll­te, unter­lief ihm bei der E‑Mail-Adres­se der Bank aller­dings ein Tipp­feh­ler. Die­ser wur­de erst im Lau­fe des 9. März bemerkt und eine erneu­te Über­sen­dung – die­ses Mal an die rich­ti­ge Adres­se — ver­an­lasst. Doch es wur­de noch ein wei­te­res Pro­blem offen­bar: Bei Sich­tung des Depots und der in aller Eile erstell­ten Ver­kaufs­or­der hat­te F zwei Posi­tio­nen über­se­hen. Umge­hend infor­mier­te er A und leg­te die­sem eine wei­te­re Ver­kaufs­or­der zur Unter­schrift vor. Die­se wur­de schließ­lich am 10. März an die Bank wei­ter­ge­lei­tet und dort, eben­so wie die ers­te Ver­kaufs­or­der, am 13. März bear­bei­tet. Seit dem ers­ten Tele­fo­nat zwi­schen A und F waren die Kur­se eini­ger Antei­le jedoch stark gefal­len, der dar­aus resul­tie­ren­de Scha­den lag bei knapp 6.900 EUR. Die­sen Betrag ver­lang­te A von F als Scha­dens­er­satz.

F mel­de­te den Vor­gang sei­ner Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung. Die­se lehn­te jedoch Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen ab. Ver­si­chert sei gemäß Ver­si­che­rungs­schein die Tätig­keit als Finanz­an­la­gen­ver­mitt­ler und ‑bera­ter. Eine ver­mö­gens­ver­wal­ten­de Tätig­keit und ins­be­son­de­re Ansprü­che, die im Zusam­men­hang mit Käu­fen und Ver­käu­fen von Wert­pa­pie­ren oder Depot­be­stän­den erho­ben wür­den, wür­den nicht unter den Ver­si­che­rungs­schutz fal­len. Die­ser Mei­nung konn­ten wir uns nicht anschlie­ßen. Rich­tig war, dass über den maß­geb­li­chen Ver­si­che­rungs­ver­trag die Finanz­an­la­gen­ver­mitt­lung nach § 34f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GewO ver­si­chert war. § 34f Abs. 1 GewO nimmt aber – eben­so wie die ein­schlä­gi­gen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen des hier betrof­fe­nen Ver­si­che­rers – Bezug auf § 1 Abs. 1a) S. 2 Nr. 1 KWG. Dort wird die Anla­ge­ver­mitt­lung als Ver­mitt­lung von Geschäf­ten über die Anschaf­fung und Ver­äu­ße­rung von Finanz­in­stru­men­ten defi­niert. Da es um die Ver­äu­ße­rung von Invest­ment­fonds­an­tei­len, mit­hin um eine Finanz­an­la­ge nach § 34f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GewO ging, argu­men­tier­ten wir, dass sehr wohl von einer ver­si­cher­ten Tätig­keit aus­zu­ge­hen sei. Der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer lenk­te dar­auf­hin ein und for­der­te zur wei­ter­ge­hen­den Prü­fung eine genaue chro­no­lo­gi­sche Auf­stel­lung der Abläu­fe sowie die zwi­schen A, F und der Bank gewech­sel­te E‑Mail-Kor­re­spon­denz an. Nach Sich­tung der Unter­la­gen reg­te man an, Anle­ger A ein Abfin­dungs­an­ge­bot über 1.000 EUR zu unter­brei­ten. Dem lagen fol­gen­de Erwä­gun­gen zugrun­de: Auch wenn F bei der ers­ten Über­sen­dung der Ver­kaufs­or­der kei­nen Tipp­feh­ler began­gen hät­te, wäre der Auf­trag nach all­ge­mei­ner Lebens­er­fah­rung nicht mehr am glei­chen Tag bear­bei­tet wor­den. Dass die zwei­te Ver­kaufs­or­der nicht noch am 9. März an die Bank wei­ter­ge­lei­tet wer­den konn­te, lag nicht an F, son­dern an A selbst, dem inso­fern ein gewis­ses Mit­ver­schul­den hin­sicht­lich der Scha­den­min­de­rung ent­ge­gen­zu­hal­ten war. Außer­dem war das Gros der Kurs­ver­lus­te erst nach dem 10. März ein­ge­tre­ten – wäh­rend der Bear­bei­tungs­zeit, die sich die Bank in ihren AGB aus­be­dun­gen hat­te. Inso­fern war ein tat­säch­lich durch F ver­ur­sach­ter Scha­den über­wie­gend frag­lich. Hier­mit kon­fron­tiert nahm A das Abfin­dungs­an­ge­bot letzt­lich an.

Fazit:

Die Tätig­keit als Finanz­an­la­gen­ver­mitt­ler wird durch einen manch­mal schwer zu durch­schau­en­den Dschun­gel aus Rechts­nor­men aus ver­schie­dens­ten Geset­zen (GewO, KWG, Ver­m­AnlG u.a.) bestimmt. Das kann im Haf­tungs­fall – wie auf­ge­zeigt – auch auf die deckungs­recht­li­che Prü­fung durch den Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer durch­schla­gen. Die Unter­stüt­zung durch einen fach­kun­di­gen Ver­si­che­rungs­mak­ler ist spä­tes­tens dann nicht mehr zu unter­schät­zen.