„Wenn die Zeit drängt“

Manch­mal lässt sich bei Scha­dens­mel­dung noch gar nicht abschlie­ßend beur­tei­len, inwie­fern tat­säch­lich Leis­tun­gen über die Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung in Betracht kom­men. Regel­mä­ßig wird die fina­le Prü­fung in die­sen Fäl­len zurück­ge­stellt, bis auf Haf­tungs­ebe­ne eine Ent­schei­dung ergan­gen ist. Ver­si­che­rungs­schutz wird dann zunächst „unter Vor­be­halt“ gewährt. Für Ver­si­che­rungs­neh­mer ist dies manch­mal unbe­frie­di­gend. For­mu­liert der Ver­si­che­rer sei­ne Vor­be­hal­te nicht kor­rekt, kann dies den Ver­si­che­rungs­neh­mern aber auch zum Vor­teil gerei­chen.

A. Der Haf­tungs­fall

Im Janu­ar 2017 wur­de dem Ver­mitt­ler U, ohne dass es zuvor außer­ge­richt­li­che Kor­re­spon­denz gege­ben hät­te, vom ört­lich zustän­di­gen Land­ge­richt eine Kla­ge zuge­stellt. Streit­ge­gen­stand waren Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen sei­ner Kun­din K, die er im März 2013 bera­ten und die dar­auf­hin Namens­ge­nuss­rech­te eines Anbie­ters gezeich­net hat­te, der spä­ter Insol­venz anmel­den muss­te. U bewer­te­te die For­de­run­gen als unbe­grün­det. Er ging davon aus, die Anle­ge­rin kor­rekt bera­ten zu haben. Außer­dem sei er nicht im eige­nen Namen, son­dern im Namen eines ande­ren Unter­neh­mens auf­ge­tre­ten. Er wand­te sich unmit­tel­bar an einen bereits in der Ver­gan­gen­heit man­da­tier­ten Fach­an­walt, der sei­ner­seits Kla­ge­ab­wei­sung bean­trag­te.

B. Deckungs­ebe­ne

Auf Anra­ten sei­nes Rechts­an­wal­tes infor­mier­te U anschlie­ßend auch sei­nen Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer über den Vor­gang, stell­te die­sem die Kla­ge­schrift nebst Anla­gen sowie alle sons­ti­gen fall­re­le­van­ten Unter­la­gen zur Ver­fü­gung – dar­un­ter auch Pro­dukt­un­ter­la­gen zu den streit­ge­gen­ständ­li­chen Namens­ge­nuss­rech­ten – und erbat eine Deckungs­zu­sa­ge. Ver­mut­lich aus Grün­den der Eil­be­dürf­tig­keit und/oder eines hohen Scha­dens­auf­kom­mens zum Jah­res­an­fang teil­te der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer U rela­tiv kurz­fris­tig mit, man gewäh­re unter Vor­be­halt Ver­si­che­rungs­schutz in Form des Abwehr­schut­zes. In den fol­gen­den Mona­ten nahm der Haf­tungs­pro­zess sei­nen Lauf. Die­ser ende­te mit einem für U und den Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer unbe­frie­di­gen­den Urteil: Das Gericht ent­schied nahe­zu voll­um­fäng­lich zuguns­ten der Klä­ge­rin und nahm ins­be­son­de­re auch eine per­sön­li­che Haf­tung von U an. U woll­te dies nicht hin­neh­men und gegen das Urteil Beru­fung ein­le­gen. Sein Rechts­an­walt unter­stütz­te die­ses Vor­ge­hen und rich­te­te eine Anfra­ge an den Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer, ob auch für die Beru­fungs­in­stanz Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen gewährt wür­den. Der Ver­si­che­rer lehn­te dies unter Hin­weis auf die nur unter Vor­be­halt gewähr­ten Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen ab und for­der­te sogar die bereits erbrach­ten Leis­tun­gen zurück. Begrün­det wur­de dies unter ande­rem damit, dass nach den erst­in­stanz­li­chen Urteils­grün­den von einer wis­sent­li­chen Pflicht­ver­let­zung aus­zu­ge­hen sei. Auch sei die Ver­mitt­lung von Genuss­rech­ten zum Ver­stoß­zeit­punkt nicht mit­ver­si­chert gewe­sen. An die­sem Punkt wur­den wir invol­viert. Tat­säch­lich hat­te der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer Ver­si­che­rungs­schutz „vor­be­halt­lich etwa­iger Aus­schluss­grün­de“ gewährt und exem­pla­risch auf die wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung ver­wie­sen. Aller­dings war unse­res Erach­tens aus den Ent­schei­dungs­grün­den nicht zwin­gend auf eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung zu schlie­ßen. Viel­mehr dräng­te sich der Ein­druck auf, dass der Ver­si­che­rer bei Scha­dens­mel­dung den Streit­ge­gen­stand nicht abschlie­ßend geprüft und des­halb schlicht­weg nicht erkannt hat­te, dass es nicht etwa um die ver­si­cher­te Ver­mitt­lung von Invest­ment­fonds­an­tei­len, son­dern um die nicht ver­si­cher­te Ver­mitt­lung von Genuss­rech­ten ging. Weil der Ver­si­che­rer dies aber bereits unmit­tel­bar nach Scha­dens­mel­dung anhand der Pro­dukt­un­ter­la­gen hät­te erken­nen kön­nen, konn­te er sich hier­auf nicht mehr beru­fen. Durch die Deckungs­zu­sa­ge hat­te er sich nach den Grund­sät­zen von Treu und Glau­ben gebun­den. Schluss­end­lich konn­ten wir mit die­ser Argu­men­ta­ti­on eine Kos­ten­schutz­zu­sa­ge auch für die Beru­fungs­in­stanz errei­chen.

C. Fazit

Hät­te der Ver­si­che­rer sei­ne Vor­be­hal­te wei­ter gefasst und ins­be­son­de­re auch auf die recht­li­che Ein­ord­nung der streit­ge­gen­ständ­li­chen Kapi­tal­an­la­ge bezo­gen, wäre die deckungs­recht­li­che Aus­gangs­si­tua­ti­on eine ande­re gewe­sen. So aber kam der Ver­mitt­ler in den Genuss von Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen, auf die er eigent­lich gar kei­nen Rechts­an­spruch gehabt hät­te.