Eine zusam­men­fas­sen­de Dar­stel­lung zu BGH, Urteil vom 01.10.2020 – IX ZR 228/19.

I.  Aus­gangs­fall

Der Klä­ger war Inha­ber sämt­li­cher Geschäfts­an­tei­le an einer GmbH. Die­se wie­der­um hielt die Antei­le der zur Unter­neh­mens­grup­pe gehö­ren­den Gesell­schaf­ten. Ihr Stamm­ka­pi­tal betrug 50.000 EUR, der tat­säch­li­che Wert der Geschäfts­an­tei­le war aller­dings ungleich höher.

Zur Rege­lung der Unter­neh­mens­nach­fol­ge kon­sul­tier­te der Klä­ger eine Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaft – die spä­te­re Beklag­te. Ziel war es das in den Geschäfts­an­tei­len an der GmbH gebün­del­te Betei­li­gungs­ver­mö­gen mög­lichst steu­er­spa­rend zu über­tra­gen. Nach Bera­tung durch die Beklag­te ent­schied sich der Klä­ger für das soge­nann­te Dop­pel­stif­tungs­mo­dell, des­sen Umset­zung auch von der Beklag­ten beglei­tet wur­de. Am 14.08.2014 errich­te­te der Klä­ger eine gemein­nüt­zi­ge Stif­tung und eine Fami­li­en­stif­tung. In das Ver­mö­gen der gemein­nüt­zi­gen Stif­tung brach­te der Klä­ger zwei Geschäfts­an­tei­le an der GmbH im Gesamt­wert von 65% des Stamm­ka­pi­tals ein. Fort­an stan­den die auf die Geschäfts­an­tei­le ent­fal­len­den Gewinn­be­zugs­rech­te der gemein­nüt­zi­gen Stif­tung zu. In der Zeit von 2014 bis 2018 erhielt die­se Divi­den­den­zah­lun­gen in Höhe von ins­ge­samt 1.161.420 EUR.

Der Klä­ger ging nach der Bera­tung der Beklag­ten fälsch­li­cher­wei­se davon aus, einen Son­der­aus­ga­ben­ab­zug in Höhe des tat­säch­li­chen Werts der Antei­le im Zeit­punkt der Über­tra­gung und jähr­lich einen Betrag von bis zu 20% vom Gesamt­be­trag sei­ner Ein­künf­te steu­er­min­dernd gel­tend machen zu kön­nen. Tat­säch­lich konn­te der Steu­er­vor­teil jedoch nur ein­ma­lig und auch nur unter Berück­sich­ti­gung des Nenn­werts der Antei­le gel­tend gemacht wer­den. Der Vor­teil betrug 16.094 EUR. Hät­te er die Geschäfts­an­tei­le noch bis Okto­ber 2025 gehal­ten, hät­te nicht die gemein­nüt­zi­ge Stif­tung, son­dern er selbst die Divi­den­den­zah­lun­gen erhal­ten, so der Klä­ger. Er begehr­te des­halb von der Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaft Scha­dens­er­satz in Höhe der bereits an die Stif­tung erfolg­ten Zah­lun­gen abzüg­lich des Steu­er­vor­teils und außer­dem die Fest­stel­lung, dass die Beklag­te ihm auch zum Ersatz künf­tig ent­ste­hen­der Schä­den ver­pflich­tet sei. Die hier­auf gerich­te­te Kla­ge hat­te vor dem LG Düs­sel­dorf Erfolg, wur­de in der Beru­fungs­in­stanz aller­dings vom OLG Düs­sel­dorf zurück­ge­wie­sen, weil ein kau­sa­ler Scha­den vom Klä­ger nicht dar­ge­legt wor­den sei. Das der Beklag­ten erteil­te Man­dat hät­te auch die Inter­es­sen der gemein­nüt­zi­gen Stif­tung erfasst, mit­hin sei eine kon­so­li­dier­te Scha­dens­be­trach­tung gebo­ten gewe­sen.

II.  Die Ent­schei­dung des BGH

Grund­sätz­lich ist bei der Anwalts- und Steu­er­be­ra­ter­haf­tung nur das Ver­mö­gen des Geschä­dig­ten in den zur Scha­dens­be­rech­nung erfor­der­li­chen Gesamt­ver­mö­gens­ver­gleich nach § 249 ff. BGB ein­zu­be­zie­hen. Aus­nahms­wei­se ist nach Recht­spre­chung des BGH aller­dings eine soge­nann­te kon­so­li­dier­te Scha­dens­be­trach­tung erfor­der­lich, weil unter­neh­me­risch täti­ge Per­so­nen oft bereit sind, Ver­mö­gens­wer­te an Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge oder sons­ti­ge nahe­ste­hen­de Drit­te zu über­tra­gen, wenn damit eine steu­er­li­che Ent­las­tung ver­bun­den ist. Ein wirt­schaft­li­cher Nach­teil des Man­dan­ten eines Steu­er­be­ra­ters kann dann durch einen (Steu­er-) Vor­teil eines Drit­ten auf­ge­wo­gen wer­den, was die Haf­tung des Steu­er­be­ra­ters aus­schlie­ßen soll. Weil die kon­so­li­dier­te Scha­dens­be­trach­tung aber, wie vor­be­schrie­ben, eine Aus­nah­me dar­stel­le, sei deren Annah­me nur unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen zuläs­sig. Maß­geb­lich sei zunächst der Inhalt des jewei­li­gen Bera­tungs­ver­trags. Sei nach des­sen Inhalt die Ein­be­zie­hung der Ver­mö­gens­in­ter­es­sen eines Drit­ten geschul­det, sol­le eine kon­so­li­dier­te Scha­dens­be­trach­tung erfol­gen. Außer­dem sei die kon­so­li­dier­te Scha­dens­be­trach­tung anzu­neh­men, wenn dies bei wirt­schaft­li­cher Betrach­tung gerecht­fer­tigt sei, wenn es sich näm­lich bei dem Ver­mö­gen unter­schied­li­cher Rechts­trä­ger wirt­schaft­lich um die­sel­be Ver­mö­gens­mas­se hand­le bzw. von einem Ver­mö­gen aus­ge­gan­gen wer­den kön­ne, etwa weil meh­re­re Mit­glie­der einer Fami­lie oder Unter­neh­men eines Ver­bun­des in eine steu­er­li­che Gestal­tungs­be­ra­tung ein­be­zo­gen wür­den.

Im kon­kre­ten Streit­fall hat der BGH die not­wen­di­ge Ver­mö­gens­ein­heit – anders als das OLG – nicht gese­hen. Mit der Über­tra­gung der Geschäfts­an­tei­le an der GmbH auf die gemein­nüt­zi­ge Stif­tung hät­te der Klä­ger nicht nur recht­lich jede Zugriffs­mög­lich­keit auf die Geschäfts­an­tei­le ver­lo­ren, er hät­te auch wirt­schaft­lich nicht mehr von den Antei­len pro­fi­tiert. Vor Über­tra­gung der Antei­le wären die Divi­den­den­zah­lun­gen noch dem Klä­ger per­sön­lich, nach der Über­tra­gung nur noch der gemein­nüt­zi­gen Stif­tung zuge­flos­sen. Die­se hät­te aus­schließ­lich und unmit­tel­bar gemein­nüt­zi­ge, mild­tä­ti­ge und kirch­li­che Zwe­cke ver­folgt. Dem­nach kön­ne nicht davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass der Klä­ger von den auf die Antei­le ent­fal­len­den Gewinn­be­zugs­rech­ten in ver­gleich­ba­rer Wei­se pro­fi­tie­re wie vor der Über­tra­gung. Dass die Betä­ti­gung der Stif­tung im Sin­ne des Klä­gers sei und er als Mit­glied des Stif­tungs­vor­stand auf die Ver­wen­dung der Mit­tel Ein­fluss neh­men kön­ne, rei­che für die Annah­me einer kon­so­li­dier­ten Scha­dens­be­trach­tung nicht aus.