Zusam­men­fas­sen­de Dar­stel­lung zum Urteil des BGH vom 02.05.2019 – IX ZR 11/18.

Ⅰ.Ausgangsfall

Der Klä­ger, ein Steu­er­be­ra­ter und Wirt­schafts­prü­fer, hat­te mit der Beklag­ten am 18.12.2014 einen Steu­er­be­ra­tungs­ver­trag geschlos­sen. Gegen­stand des Ver­tra­ges waren „Erstel­lung der Jah­res­ab­schlüs­se ein­schließ­lich Gewinn- und Ver­lust­rech­nun­gen, Jah­res­steu­er­erklä­run­gen, Buch­füh­rungs­ar­bei­ten sowie Bera­tung in allen steu­er­li­chen Ange­le­gen­hei­ten ein­schließ­lich Rechts­be­hel­fe.“ Der Ver­trag lief min­des­tens ein Jahr und soll­te sich um jeweils ein wei­te­res Jahr ver­län­gern, wenn er nicht drei Mona­te vor Ablauf schrift­lich gekün­digt würde.Der Klä­ger erbrach­te in der Fol­ge die Tätig­kei­ten der Finanz­buch­hal­tung von Okto­ber 2014 bis Febru­ar 2015 und der Lohn­buch­hal­tung von Novem­ber 2014 bis April 2015. Mit Schrei­ben vom 17.04.2015 kün­dig­te die Beklag­te den Ver­trag unter Hin­weis auf einen Bera­ter­wech­sel und bat den Klä­ger, der neu­en Steu­er­be­ra­te­rin alle not­wen­di­gen Unter­la­gen, Infor­ma­tio­nen und Akten zur Ver­fü­gung zu stel­len. Dem kam der Klä­ger nicht nach. Sei­ner­seits sen­de­te er der Beklag­ten diver­se Vor­schuss­rech­nun­gen ins­be­son­de­re für die lau­fen­de Finanz- und Lohn­buch­hal­tung ab Mai 2015, wel­che von der Beklag­ten jedoch nicht bezahlt wur­den.

 

Ⅱ.Vorinstanzen

Der Steu­er­be­ra­ter erhob dar­auf­hin Kla­ge vor dem Land­ge­richt Mün­chen I. Die Beklag­te mach­te Im Rah­men einer Wider­kla­ge Ansprü­che auf Her­aus­ga­be von Unter­la­gen, Scha­dens­er­satz und Fest­stel­lung einer Scha­dens­er­satz­ver­pflich­tung wegen Aus­übung eines unbe­rech­tig­ten Zurück­be­hal­tungs­rechts geltend.Der Beklag­te berief sich ins­be­son­de­re dar­auf, dass der Steu­er­be­ra­tungs­ver­trag nicht durch die Kün­di­gung vom 17.04.2015 gemäß § 627 BGB been­det wor­den sei, son­dern infol­ge der Lauf­zeit­ver­ein­ba­rung erst zum 18.12.2016. § 627 BGB sei des­halb nicht anwend­bar, weil die vor­lie­gen­de Aus­ge­stal­tung des Steu­er­be­ra­tungs­ver­tra­ges nicht Diens­te höhe­rer Art umfas­se. Die Haupt­for­de­rung des Klä­gers belief sich auf 137.780,32 EUR.Nach Tei­l­er­le­di­gung ver­ur­teil­te das Land­ge­richt Mün­chen I die Beklag­te zur Zah­lung von 7.390,14 EUR nebst Zin­sen, wies die Kla­ge im Übri­gen aber ab. Auf die Wider­kla­ge hin wur­de der Klä­ger ver­ur­teilt, an die Beklag­te 3.309,75 EUR nebst Zin­sen zu zah­len (Urteil vom 17.02.2017 – 4 O 9827/16).In der Beru­fungs­in­stanz wur­de das erst­in­stanz­li­che Urteil dann vom OLG Mün­chen dahin­ge­hend abge­än­dert, dass der Klä­ger an die Beklag­te 7.985,21 EUR zu zah­len hät­te (Urteil vom 13.12.2017 – 15 U 886/17).  Das Gericht ging davon aus, dass die von der Beklag­ten aus­ge­spro­che­ne Kün­di­gung sofort wirk­sam gewor­den sei. Die ver­trag­lich über­nom­me­nen Auf­ga­ben des Klä­gers hät­ten Diens­te höhe­rer Art dar­ge­stellt. Gemäß § 627 Abs. 1 BGB wären des­halb die wei­te­ren Leis­tungs­pflich­ten der Par­tei­en ent­fal­len. Das Gericht stell­te hin­sicht­lich der Tat­be­stands­vor­aus­set­zung „Diens­te höhe­rer Art“ also auf die Ver­pflich­tun­gen aus dem Ver­trag und nicht auf des­sen tat­säch­li­che Durch­füh­rung ab.  Hier­ge­gen, also gegen die Anwend­bar­keit von § 627 Abs. 1 BGB, rich­te­te sich die Revi­si­on des Klä­gers. Mit der Anschluss­re­vi­si­on – auf die hier nicht näher ein­ge­gan­gen wer­den soll – begehr­te die Beklag­te, den Klä­ger im Wege der Wider­kla­ge zur Zah­lung von wei­te­ren 3.000 EUR zu ver­ur­tei­len.

 

Ⅲ.Das Urteil des BGH

Eben­so wie das OLG ging auch der BGH davon aus, dass das Ver­trags­ver­hält­nis zwi­schen Klä­ger und Beklag­ter wirk­sam mit Schrei­ben vom 17.04.2015 gekün­digt wor­den war und Hono­rar­for­de­run­gen ab die­sem Zeit­punkt nicht mehr anfal­len konnten.Ein Steu­er­be­ra­ter­ver­trag hät­te Diens­te höhe­rer Art zum Gegen­stand. Des­halb könn­ten sich auch bei­de Ver­trags­part­ner auf das Kün­di­gungs­recht des § 627 Abs. 1 BGB beru­fen. Danach ist eine Kün­di­gung auch ohne wich­ti­gen Grund zuläs­sig, wenn der Ver­pflich­te­te Diens­te höhe­rer Art zu leis­ten hat, die auf­grund beson­de­ren Ver­trau­ens über­tra­gen wer­den. Diens­te höhe­rer Art könn­ten sol­che sein, die beson­de­re Fach­kennt­nis, Kunst­fer­tig­keit oder wis­sen­schaft­li­che Bil­dung vor­aus­setz­ten und den per­sön­li­chen Lebens­be­reich beträ­fen. Ein Steu­er­be­ra­ter leis­te in der Regel Diens­te höhe­rer Art. Der Ihnen erteil­te Auf­trag kön­ne jeder­zeit und ohne Anga­ben von Grün­den mit sofor­ti­ger Wir­kung been­det werden.Im kon­kre­ten Fall sei der Klä­ger mit der Erbrin­gung von Diens­ten höhe­rer Art im Sin­ne von § 627 Abs. 1 BGB betraut wor­den, auch wenn der Auf­trag dane­ben noch die Fer­ti­gung der Finanz- und Lohn­buch­hal­tung umfasst hät­te. Ent­schei­dend sei, ob letzt­ge­nann­te Tätig­kei­ten Bestand­teil eines ein­heit­li­chen Dienst­ver­tra­ges sei­en, der auch die steu­er­li­che Geschäfts­be­sor­gung zum Gegen­stand hät­te. Der gesetz­ge­be­ri­sche Grund für die jeder­zei­ti­ge Mög­lich­keit zur Lösung von einem Dienst­ver­hält­nis nach § 627 BGB lie­ge näm­lich in dem Ver­trau­en, von dem der­ar­ti­ge Rechts­ver­hält­nis­se getra­gen wür­den. Die­ses kön­ne durch unwäg­ba­re Umstän­de und ratio­nal nicht begründ­ba­re Emp­fin­dun­gen gestört wer­den, die eigent­lich objek­tiv kei­nen Kün­di­gungs­grund dar­stel­len wür­den. Des­halb sol­le bei der­ar­ti­gen Rechts­ver­hält­nis­sen die Frei­heit der per­sön­li­chen Ent­schei­dung eines jeden Teils im wei­tes­ten Aus­maß gewährt wer­den. Dies wür­de kon­ter­ka­riert, wenn der Auf­trag­ge­ber gezwun­gen wäre, den wegen ent­zo­ge­nen Ver­trau­ens wirk­sam gekün­dig­ten Bera­ter bestimm­te Teil­leis­tun­gen wei­ter­hin erbrin­gen zu las­sen, ins­be­son­de­re wenn er ihm dann wei­ter­hin Ein­bli­cke in ver­trau­li­che Ein­zel­hei­ten sei­ner Berufs‑, Ein­kom­mens und Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se gewäh­ren müsste.Dass der Klä­ger bis zur Kün­di­gungs­er­klä­rung ledig­lich Auf­trä­ge im Bereich der Finanz- und Lohn­buch­hal­tung erbracht hät­te, die für sich genom­men kei­ne Diens­te höhe­rer Art sei­en, aber kei­ne steu­er­li­chen Ange­le­gen­hei­ten hät­te, sei unschäd­lich. Das Kün­di­gungs­recht aus § 627 Abs. 1 BGB hän­ge bei einem auch Diens­te höhe­rer Art umfas­sen­den Ver­trag nicht davon ab, dass bis zur Ver­trags­kün­di­gung tat­säch­lich Diens­te höhe­rer Art geleis­tet wor­den sei­en. Denn nach dem Wort­laut von § 627 Abs. 1 BGB sei eine außer­or­dent­li­che Kün­di­gung gerecht­fer­tigt, wenn der Dienst­ver­pflich­te­te Diens­te höhe­rer Art „zu leis­ten hät­te“. Dar­aus fol­ge, dass es nur dar­auf ankom­me, ob der Dienst­ver­pflich­te­te es ver­trag­lich über­nom­men hät­te Diens­te höhe­rer Art zu leisten.Die vor­be­schrie­be­ne Wür­di­gung, so der BGH, füh­re auch nicht zu einer unzu­läs­si­gen Umge­hung der Vor­schrift aus § 626 BGB, die für eine Ver­trags­be­en­di­gung einen wich­ti­gen Grund vor­aus­set­ze. Gera­de bei einem umfas­send beauf­trag­ten Steu­er­be­ra­ter lie­ge es nahe, dass er nach Ver­trags­schluss zunächst lau­fen­de Buch­füh­rungs­ar­bei­ten erle­di­ge, bevor es zu einer steu­er­li­chen Bera­tung als Dienst­leis­tung höhe­rer Art kom­me. Von einem Man­dan­ten, der bereits nach Durch­füh­rung der Lohn- und Finanz­buch­hal­tung das Ver­trau­en in sei­nen Steu­er­be­ra­ter ver­lie­re, kön­ne nicht ver­langt wer­den, die­sen nur des­halb auch mit steu­er­li­chen Ange­le­gen­hei­ten zu betrau­en, um das Kün­di­gungs­recht des § 627 BGB aus­üben zu kön­nen. Wer neben den Diens­ten höhe­rer Art sons­ti­ge Dienst­leis­tun­gen schul­de, müs­se es hin­neh­men, dass das Kün­di­gungs­recht aus § 627 BGB unab­hän­gig von den geleis­te­ten Diens­ten für das gesam­te Ver­trags­ver­hält­nis gel­te. Dem Steu­er­be­ra­ter stün­de es frei, § 627 BGB ein­zu­schrän­ken, indem getrenn­te Ver­trags­ver­hält­nis­se ver­ein­bart wür­den.

Eine Absa­ge erteil­te der BGH der Annah­me, dass der ursprüng­lich geschlos­se­ne Steu­er­be­ra­tungs­ver­trag durch die tat­säch­li­che Hand­ha­bung – also dadurch, dass (zunächst) nur die Lohn- und Finanz­buch­hal­tung erbracht wur­de – dahin­ge­hend abge­än­dert wor­den sein könn­te, dass kei­ne Diens­te höhe­rer Art mehr geschul­det gewe­sen sei­en. Hier­für gäbe es im kon­kre­ten Fall kei­ne Anhalts­punk­te.

Auch dass ledig­lich für den Teil­be­reich der Lohn- und Finanz­buch­hal­tung fes­te Bezü­ge geschul­det gewe­sen wären füh­re nicht dazu, dass das Kün­di­gungs­recht für den gesam­ten, ein­heit­li­chen Dienst­ver­trag aus­ge­schlos­sen wür­de. Es bestün­de kei­ne Recht­fer­ti­gung dafür, die Inter­es­sen des Dienst­be­rech­tig­ten ins­ge­samt zurück­tre­ten zu las­sen. Die fes­ten Bezü­ge müss­ten nach ein­hel­li­ger Auf­fas­sung viel­mehr für die gesam­te Tätig­keit bezahlt wer­den und dürf­ten nicht ledig­lich einen Teil­be­reich abde­cken.

Ass. jur. Rudolf Bau­er,

LL.M. Ver­si­che­rungs­recht