„Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit“ urteilte der BGH vor fast 40 Jahren im Sachwalterurteil vom 22.05.1985.1 Doch wie weit gehen diese bei einer Insolvenz des Versicherers? In der jüngeren Vergangenheit gab es in der Versicherungsbranche einige Insolvenzen zu beobachten. Teilweise waren Assekuradeure betroffen, teilweise auch Versicherer. Zuletzt haben die Nachrichten rund um den White-Label-Anbieter ELEMENT für viel Wirbel und Fragen in der Vermittlerschaft gesorgt – auch rund um die Maklerhaftung. Die gute Nachricht ist: Im deutschen Versicherungsmarkt gibt es vergleichsweise wenig Insolvenzen.2
Pflichtverletzung bei der Auswahl des Versicherers?
Ist allein die Empfehlung eines Versicherers, der in finanzielle Schieflage gerät, eine Pflichtverletzung des Maklers? Es ist eine denkbare Konstellation.3
Am Ende eines Beratungsgesprächs wird der Versicherungsmakler seinem Kunden empfehlen, zur Deckung des ermittelten Bedarfs eine bestimmte Versicherung bei einem bestimmten Versicherer abzuschließen. Auch insoweit sind die Wünsche und Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen. So kann es ggf. einem Kunden wichtig sein, die preisgünstigste Versicherung zu bekommen, dem anderen geht es um die Ertragskraft und Reservestärke des Anbieters und anderen wiederum um den guten Service.4 Der Versicherungsmakler hat die verschiedenen zur Auswahl stehenden Versicherungsanbieter zu analysieren.5 Der Versicherungsmakler hat daher bei der Auswahl des Risikoträgers u.a. auch die Bonität/ Solvabilität zu berücksichtigen.6 Dass der Versicherungsmakler zur Prüfung der Solvabilität verpflichtet ist, wird auch nicht mehr ernstlich bestritten.7 Dies gilt jedenfalls „im Rahmen seiner Möglichkeiten.“8 Teilweise wird sogar vertreten, dass der Makler ähnlich einem Finanzanlagenvermittler die „einschlägige Fachpresse sowie den Handelsteil der führenden Tagespresse auf Warnhinweise zu studieren“ hat.9
Eine Pflichtverletzung wird dann gegeben sein, wenn der Versicherungsmakler „zum Zeitpunkt der Vermittlung des Vertrages ausreichende Anhaltspunkte für die fehlende Finanzkraft des Risikoträgers oder gar die bevorstehende Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hätte haben können“ und dem Kunden schon aus diesem Grunde vom Abschluss des Vertrages hätte abraten müssen.10
Eine Pflichtverletzung kann aber auch darüber hinaus bestehen, wenn der Kunde nicht ausreichend über die Identität des Risikoträgers, jedenfalls sofern es sich um eine „hierzulande unbekannte ausländische Gesellschaft“ handelt, aufgeklärt wird. Das OLG führte dazu aus: „Dass die Absicherung von Zahlungsausfällen im Falle der Wahl eines ausländischen Versicherers gegenüber einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft eingeschränkt sein kann, ist allgemein bekannt […]“.
Doch eine Pflichtverletzung führt nicht automatisch zu einer Haftung. Der Beratungsfehler muss auch ursächlich für den Schaden sein, den der Kunde erlitten hat. Dies hat auch das OLG Saarbrücken im vorliegenden Fall gut herausgestellt.
Pflichtverletzung bei Insolvenz?
Nach Abschluss des Versicherungsvertrages hat der Makler regelmäßig den Vertrag weiter zu betreuen und zu „verwalten“. Tritt der Insolvenzfall also während der Vertragslaufzeit ein, muss der Makler handeln.
Der Versicherungsmakler wird zunächst zu überprüfen haben, welche konkreten Folgen die Insolvenz des Versicherers auf den Versicherungsvertrag und den Versicherungsnehmer hat. Mindestens dürfte den Versicherungsmakler eine Hinweispflicht auf die Auswirkungen treffen: „Es besteht damit eine Hinweispflicht auf mögliche Versicherungslücken durch Veränderungen hinzuweisen“.11
Die Betreuung schließt aber auch ein, dass der Makler Deckungslücken entgegenzuwirkend hat. Hat sich, wie im Falle einer Insolvenz, etwas aus seiner „Sphäre“12 ergeben, löst dies eine aktive Betreuung aus. Anerkannt ist schließlich, dass der Makler die Zahlungsfähigkeit des Versicherers im Auge behalten muss und in Fällen, in denen diese unsicher wird, die geeigneten Schritte anregen muss.13 Es sollten also Alternativen geprüft und dem Kunden angeboten werden. Dies sollte unbedingt dokumentiert werden.
Welche Schritte im konkreten Fall angeregt werden sollten, ist abhängig vom konkreten Fall. Für die aktuelle Situation zu ELEMENT gibt es unterschiedliche Informationen und Handlungsempfehlungen, beispielsweise zu den Versicherungsbeiträgen. Beispielhaft folgende Informationen:
- https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/Versicherung/QuA_ELEMENT/Element_node.html
- https://wirth-rae.de/ratgeber/insolvenz-der-element-versicherung-ag/
- https://www.bundderversicherten.de/de/presse/element-im-vorlaeufigen-insolvenzverfahren-was-passiert-mit-bereits-gezahlten-praemien-m3498.html
1Urteil vom 22.05.1985 – IVa ZR 190/83; abrufbar unter: https://www.iww.de/quellenmaterial/id/535
2vgl. die Zusammenfassung bei Langheid/Wandt/Fausten VVG § 16 Rn. 3 f
3Zinnert/Günther; Versicherungsmakler: Haftung, Fälle, Lösungen, S. 238: „Auch die Wahl des „falschen“ Versicherers – mangelnde Bonität/Solvenz – kann zu derartigen weitreichenden Konsequenzen führen.“
4MüKo §61 Rn. 20; aber auch Zinnert, Der Versicherungsmakler, S. 430.
5Platzen, Zivilrechtliche Haftung bei Informationsverschulden in der Versicherungsvermittlung, S.161
6Zinnert, Der Versicherungsmakler, S. 41 und S. 129.
7So schon Baumann, Versicherungsvermittlung durch Versicherungsmakler, S. 70 mw.N.; vgl. auch die Hinweise bei fondsprofessionell online unter: https://www.fondsprofessionell.de/versicherungen/news/headline/versicherungsrechtler-vermittler-muessen-solvenzquoten-beachten-138370/
8Prölss/Martin/Dörner VVG § 59 Rn. 73.; Auf Probleme bei ausländischen Versicherungsgesellschaften weist auch Spatz in VW 1997, 1394 ausdrücklich hin; Zinnert, Der Versicherungsmakler, S. 130.
9Platzen, aaO. S. 162; die AssCompact zitiert Michael H. Heinz (BVK) ähnlich: Konkret bedeutet diese Aufgabe, dass Makler dazu verpflichtet sind, die Veröffentlichungen der Versicherungsaufsicht BaFin und weitere Pressemeldungen zu verfolgen, und zwar nicht nur beim Abschluss eines Neuvertrages, sondern auch „für die Überprüfung des Versicherungsschutzes eines laufenden Vertrages“. Abrufbar unter: https://www.asscompact.de/nachrichten/versicherer-insolvenzen-diese-bedeutung-hat-die-finanzstaerke-fuer-makler?from=2025–01-29%2007%3A02&to=2025–01-30%2007%3A16&newstype=asscompnews&pid=479508
10Saarländisches OLG, Urteil vom 05.03.2021 — 5 U 37/20
11RAin Pagel im Versicherungstip vom 13.01.2025, abrufbar unter https://www.kapital-markt-intern.de/versicherungstip/aktuelle-themen/vt-aktuelle-themen/was-versicherungsmakler-in-der-kritischen-lage-von-element-veranlassen-sollten/
12Zur Sphärentheorie vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 27.09.20218 – 1 U 2/18.
13Vgl. schon OLG Hamburg v. 29.4.1924, HGZ 1924, 157 („der Makler habe nach Vertragsschluss bei Anzeichen der Zahlungsschwäche des VU einen neuen Versicherungsvertrag abzuschließen.“)