Die fehlerhafte/unvollständige oder feh­len­de Bera­tungs­do­ku­men­ta­ti­on – Aus­wir­kun­gen auf den Ver­si­che­rungs­schutz in der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung

von Ass. jur. Chris­ti­an Lüb­ben, Pro­ku­rist der Hans John Ver­si­che­rungs­mak­ler GmbH

Ein­lei­tung:

Die Bera­tungs­pflicht des Ver­si­che­rungs­mak­lers ist eine Haupt­leis­tungs­pflicht des
Ver­si­che­rungs­mak­lers. Sei­ne Bera­tung hat der Mak­ler nach § 61 Abs. 2 VVG zu doku­men­tie­ren. Dabei ver­folgt die Doku­men­ta­ti­on den Zweck,  die Grün­de für die Pro­dukt­emp­feh­lung fest­zu­hal­ten und damit nach­voll­zieh­bar zu machen. Im Ergeb­nis soll durch die Doku­men­ta­ti­on eine Beweis­erleich­te­rung für den Ver­si­che­rungs­neh­mer im Fal­le eines Streits über eine unter­las­se­ne oder feh­ler­haf­te Bera­tung geschaf­fen wer­den. Oft­mals in den Hin­ter­grund rückt dabei aber die Tat­sa­che, dass eine Doku­men­ta­ti­on der Bera­tung auch vor­teil­haft für den Ver­si­che­rungs­mak­ler ist: Sie ermög­licht den Nach­weis einer kor­rek­ten Bera­tung. Da die Doku­men­ta­ti­on sowohl eine feh­ler­haf­te als auch eine kor­rek­te Bera­tung auf­zei­gen kann, ist sie eine wich­ti­ge Grund­la­ge für die deckungs­recht­li­che Bewer­tung der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung.

Wie aber wirkt sich dann eine feh­ler­haf­te oder gar feh­len­de Doku­men­ta­ti­on auf den Ver­si­che­rungs­schutz aus? In Ver­mitt­ler­krei­sen wird oft­mals dar­über dis­ku­tiert, dass eine feh­len­de Doku­men­ta­ti­on eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung dar­stellt und damit Ver­si­che­rungs­schutz bereits nach den All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen (AVB) aus­ge­schlos­sen sei.

Ver­stärkt wird die­ser Ein­druck, wenn Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer bei der Nut­zung eines Tools zur Bera­tungs­do­ku­men­ta­ti­on bei einer feh­ler­haf­ten oder unvoll­stän­di­gen Doku­men­ta­ti­on auf den Ein­wand einer wis­sent­li­chen Pflicht­ver­let­zung ver­zich­ten.  Müs­sen im Umkehr­schluss alle Ver­mitt­ler, die der­ar­ti­ge Tools nicht nut­zen, damit wei­ter­hin Angst haben, dass sie eine feh­ler­haf­te oder unvoll­stän­di­ge Doku­men­ta­ti­on den Ver­si­che­rungs­schutz kos­tet?

Zusätz­lich ange­heizt wird die Dis­kus­si­on dadurch, dass teil­wei­se vom Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer  „zum Vor­teil für den Ver­si­che­rungs­mak­ler“ eine ver­trag­li­che Oblie­gen­heit zur Vor­la­ge der Doku­men­ta­ti­on in die Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen auf­ge­nom­men wur­de. Auf­grund die­ser Oblie­gen­heit beruft sich der Ver­si­che­rer – abhän­gig vom jewei­li­gen Bedin­gungs­werk — bei feh­len­der Doku­men­ta­ti­on nicht auf den Aus­schluss­grund der wis­sent­li­chen Pflicht­ver­let­zung.

Aber schließt eine unvoll­stän­di­ge bzw. feh­ler­haf­te oder gar feh­len­de Bera­tungs­do­ku­men­ta­ti­on per se den Ver­si­che­rungs­schutz aus und ist eine Oblie­gen­heit oder die Nut­zung eines bestimm­ten Tools daher wirk­lich vor­teil­haft?

 

Wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung

In den AVB der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­run­gen heißt es in Aus­schlüs­sen übli­cher­wei­se:

„Aus­ge­schlos­sen sind Haft­pflicht­an­sprü­che
[….]
wegen Scha­den­stif­tung durch wis­sent­li­ches Abwei­chen von Gesetz, Vor­schrift, Anwei­sung oder Bedin­gung des Macht­ge­bers (Berech­tig­ten) oder durch sons­ti­ge wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung, ins­be­son­de­re Ver­let­zung der Schwei­ge­pflicht sowie unbe­fug­te Ver­wer­tung von Geschäfts- und Betriebs­ge­heim­nis­sen.“

Jeder Ver­si­che­rungs­mak­ler kennt die Doku­men­ta­ti­ons­pflicht in § 61 Abs. 2 VVG, so dass ein Ver­stoß gegen die­se Pflicht in jedem Fall ein „Abwei­chen von Gesetz“ dar­stellt. Da es sich hier­bei wohl um eine Kar­di­nal­pflicht des Ver­si­che­rungs­mak­lers, also um „Ele­men­tar­wis­sen“ han­delt, wird eine „Wis­sent­lich­keit“ ver­mu­tet. Was jedoch oft­mals außer Betracht gelas­sen wird, ist das Erfor­der­nis der Kau­sa­li­tät: Gera­de der wis­sent­li­che Ver­stoß gegen die Doku­men­ta­ti­ons­pflicht muss adäquat kau­sal den Scha­den (mit-)verursacht haben. Und das ist der ent­schei­den­de Punkt: Wie soll eine unvollständige/fehlerhafte bzw. gar feh­len­de Doku­men­ta­ti­on einen Scha­den ver­ur­sa­chen? Um die Kau­sa­li­tät zu beja­hen hie­ße dies, dass ein Mak­ler, der rich­tig bera­ten, die Bera­tung aber nicht bzw. nicht rich­tig doku­men­tiert hat, gleich­wohl haft­bar ist.  Eine sol­che Kon­stel­la­ti­on dürf­te nur in den sel­tens­ten Fäl­len – bzw. wohl kaum —   zu einem Scha­den des Kun­den füh­ren. Übli­cher­wei­se wer­den Scha­dens­er­satz­sprü­che gegen den Mak­ler daher auf Falsch­be­ra­tung und nicht auf eine fehlerhafte/unvollständige bzw. feh­len­de Doku­men­ta­ti­on gestützt.

Was aber natür­lich bleibt ist die Beweis­last­um­kehr auf­grund nicht erfolg­ter Doku­men­ta­ti­on. Dies aller­dings hat ledig­lich Aus­wir­kun­gen auf die Beweis­last im Haft­pflicht­pro­zess, nicht jedoch auf Deckungs­ebe­ne bei der Fra­ge des Ver­si­che­rungs­schut­zes.

 

Rechts­si­cher­heit nur durch abge­stimm­te Doku­men­ta­ti­on?

Durch die Wer­bung für ein bestimm­tes Tool zur Doku­men­ta­ti­on wird der Ein­druck erweckt, alle Ver­mitt­ler soll­ten ihre in der täg­li­chen Pra­xis ver­wen­de­ten „Bera­tungs­pro­to­kol­le“ dem Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer vor­le­gen, um Rechts­si­cher­heit zu erlan­gen. Schließ­lich besteht nicht nur im Bereich der Ver­si­che­rungs­ver­mitt­lung eine Pflicht zur Doku­men­ta­ti­on bzw. Pro­to­kol­lie­rung, son­dern auch im Bereich der Finanz­an­la­gen­ver­mitt­lung (§ 18 Fin­VermV).

Wür­de man nun ver­lan­gen, dass der Ver­si­che­rer das vom Ver­mitt­ler vor­ge­leg­te Pro­to­koll prüft und zur Ver­wen­dung frei­gibt, wür­de man ver­lan­gen, dass der Ver­si­che­rer eine unzu­läs­si­ge Rechts­be­ra­tung durch­führt.

it ande­ren Wor­ten: Der Ver­si­che­rer wird nicht prü­fen, ob der Ver­mitt­ler mit der Ver­wen­dung eines bestimm­ten Pro­to­kolls oder einer Mus­ter­do­ku­men­ta­ti­on sei­ne gesetz­li­chen Pflich­ten ein­hält. Dies darf er auch gar nicht. Der Ver­mitt­ler ist grds. frei in der Ver­wen­dung sei­ner Pro­to­kol­le bzw. Doku­men­ta­ti­on. Er selbst hat dar­auf zu ach­ten, dass er die gesetz­li­chen Pflich­ten ein­hält. Dies ist nicht Sache der Ver­si­che­rer.

 

Ver­trag­li­che Oblie­gen­heit zur Doku­men­ta­ti­on

Es gibt auch Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen, die eine „kun­den­freund­li­che Rege­lung zur Erstel­lung von Bera­tungs­pro­to­kol­len“ in Form einer Oblie­gen­heit sta­tu­ie­ren.  Durch die­se kom­me der Ver­si­che­rungs­neh­mer „in den Genuss der güns­ti­gen Rege­lun­gen des neu­en VVG“, denn „hier­nach besteht eine voll­stän­di­ge Leis­tungs­frei­heit des Ver­si­che­rers nur in den Fäl­len, in denen die Oblie­gen­heit vor­sätz­lich ver­letzt wur­de – und dann auch nur dann, wenn die Oblie­gen­heits­ver­let­zung für den Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­falls oder die Fest­stel­lung oder den Umfang der Leis­tungs­pflicht ursäch­lich war“.

Damit ver­weist der Ver­si­che­rer auf die Rechts­fol­gen von ver­trag­li­chen Oblie­gen­hei­ten in § 28 VVG und beschreibt die Inhal­te aus den Absät­zen 2 und 3 – dies jedoch nicht voll­stän­dig. Gänz­lich uner­wähnt bleibt die Rechts­fol­ge bei grob fahr­läs­si­ger Ver­let­zung von Oblie­gen­heits­ver­let­zun­gen – und das kann Fol­gen für den Ver­si­che­rungs­mak­ler haben.

Hat der Ver­si­che­rungs­mak­ler bewusst gegen die gesetz­li­che Doku­men­ta­ti­ons­pflicht ver­sto­ßen, han­delt er vor­sätz­lich, sogar „wis­sent­lich“ und ver­stößt damit bereits vor­sätz­lich gegen die ver­trag­li­che Oblie­gen­heit. Die mög­li­che Leis­tungs­frei­heit des Ver­si­che­rers kann der Mak­ler nur durch einen Kau­sa­li­täts­ge­gen­be­weis abwen­den. Dafür muss der Ver­si­che­rungs­mak­ler nach­wei­sen, dass sei­ne Oblie­gen­heits­ver­let­zung              weder für den Ein­tritt oder die Fest­stel­lung des Ver­si­che­rungs­fal­les noch für die Fest­stel­lung oder den Umfang der Leis­tungs­pflicht ursäch­lich war. Dass die Oblie­gen­heits­ver­let­zung nicht kau­sal für den Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­falls war, wird der Mak­ler unter Berück­sich­ti­gung der zur „wis­sent­li­chen Pflicht­ver­let­zung“ dar­ge­stell­ten Argu­men­ta­ti­on dar­le­gen kön­nen. Durch­aus Schwie­rig­kei­ten berei­ten könn­te dem Mak­ler aber der Kau­sa­li­täts­ge­gen­be­weis über den Umfang der Leis­tungs­pflicht. Hät­te der Mak­ler doku­men­tiert, könn­te er mit sei­ner Doku­men­ta­ti­on die Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit sei­ner Bera­tung dar­le­gen und bewei­sen. Ohne eine Doku­men­ta­ti­on wird er Pro­ble­me haben, der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung dar­zu­le­gen, dass ihr Leis­tungs­um­fang bei erfolg­ter Doku­men­ta­ti­on iden­tisch wäre. Hät­te der Mak­ler doku­men­tiert, hät­te er im Ein­zel­fall sicher­lich sogar die Mög­lich­keit durch die Doku­men­ta­ti­on dar­zu­le­gen, dass der Ver­si­che­rer gar nicht leis­ten müss­te.

Die ver­trag­li­che Oblie­gen­heit zur Vor­la­ge der Doku­men­ta­ti­on ver­la­gert damit nicht nur die Beweis­last vom Ver­si­che­rer auf den Ver­si­che­rungs­neh­mer – da sich die­ser ent­las­ten muss – son­dern gibt dem Ver­si­che­rer sogar die Mög­lich­keit, bei Vor­lie­gen einer grob fahr­läs­si­gen Ver­let­zung der Oblie­gen­heit die Leis­tung zu kür­zen.

War­um also eine ver­trag­li­che Oblie­gen­heit zur Vor­la­ge der Doku­men­ta­ti­on für den Mak­ler kun­den­freund­li­cher sein soll als ein Aus­schluss, der ohne­hin in der Pra­xis kaum durch­greift, bleibt das Geheim­nis der ent­spre­chen­den Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft.

 

Fazit

Die feh­len­de Bera­tungs­do­ku­men­ta­ti­on hat auf Deckungs­ebe­ne in der Pra­xis regel­mä­ßig nur dann nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf den Ver­si­che­rungs­schutz, wenn in den Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen eine Oblie­gen­heit zur Vor­la­ge der Doku­men­ta­ti­on ver­ein­bart ist. Auf der Haf­tungs­sei­te ist die Doku­men­ta­ti­on jedoch ein wich­ti­ges Beweis­mit­tel des Ver­mitt­lers, um sich gegen Vor­wür­fe der Falsch­be­ra­tung ver­tei­di­gen zu kön­nen.