Zusam­men­fas­sen­de Dar­stel­lung zum Urteil des OLG Zwei­brü­cken vom 18.06.2021 – 2 U 52/20.

In dem vor­be­nann­ten Ver­fah­ren ging es um Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen aus der Ver­let­zung anwalt­li­cher Pflich­ten. Der Klä­ger warf der beklag­ten Rechts­an­wäl­tin vor, dass ein Anspruch auf Zuge­winn­aus­gleich nicht in unver­jähr­ter Zeit gel­tend gemacht wur­de.

I. Aus­gangs­fall

Die Beklag­te hat­te den Klä­ger in des­sen Schei­dungs­ver­fah­ren vor dem Fami­li­en­ge­richt ver­tre­ten. Nach­dem die Ehe mit Beschluss vom 26.06.2012 geschie­den wor­den war, mach­te die Ex-Frau des Klä­gers Aus­kunfts­an­sprü­che zur Bezif­fe­rung eines etwa­igen Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruchs gel­tend. Die Beklag­te führ­te für den Klä­ger den dies­be­züg­li­chen Schrift­wech­sel, der sich mit den Ein­zel­po­si­tio­nen des Anfangs­ver­mö­gens der vor­ma­li­gen Ehe­leu­te befass­te und rech­ne­te hier­über im Wege der Hono­rar­vor­schuss­no­te mit Schrei­ben vom 22.03.2016 ab, wobei sie einen Gegen­stands­wert von 90.500 EUR zugrun­de leg­te.

II. Vor­in­stanz

Scha­dens­er­satz for­der­te der Klä­ger dann, weil ihm die Beklag­te davon abge­ra­ten hät­te, einen ver­meint­lich nicht loh­nens­wer­ten Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruch gel­tend zu machen. Tat­säch­lich, so der Klä­ger, hät­te ihm aber zumin­dest einen Anspruch in Höhe von 11.498,57 EUR zuge­stan­den, den er vor Ein­tritt der Ver­jäh­rung hät­te durch­set­zen kön­nen, da bei glei­chem End­ver­mö­gen bei ihm ein Anfangs­ver­mö­gen von 22.997,14 EUR vor­han­den gewe­sen sei, wohin­ge­gen sei­ne Ehe­frau kein Ver­mö­gen gehabt hät­te. Dass er die Beklag­te mit der Gel­tend­ma­chung eines Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruchs man­da­tiert hät­te, wäre auch aus der Gebüh­ren­no­te ersicht­lich gewe­sen.

Letz­te­res wur­de von der Beklag­ten bestrit­ten. Das Man­dat hät­te nur die Beant­wor­tung des Aus­kunfts­er­su­chens der Ehe­frau umfasst. Es sei ihm nur um die Aus­ein­an­der­set­zung des im Mit­ei­gen­tum ste­hen­den Haus­an­we­sens gegan­gen. Die Gel­tend­ma­chung eines eige­nen Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruchs sei nicht gewünscht gewe­sen. Einen der­ar­ti­gen Anspruch hät­te er zudem ver­wirkt, weil er dem Ver­kauf des gemein­sa­men Anwe­sens an ein Fami­li­en­mit­glied zuge­stimmt hät­te, obwohl des­sen Gebot unter­halb dem eines Inter­es­sen­ten lag. Auch sei­en die Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ver­jährt.

Das LG Land­au hat die Kla­ge mit Urteil vom 08.10.2020 abge­wie­sen. Das Gericht ging davon aus, dass kein Auf­trag zur Prü­fung etwa­iger Zuge­winn­aus­gleich­an­sprü­che erteilt wor­den sei, sich das Man­dat viel­mehr auf das Ant­wort­schrei­ben zum Aus­kunfts­er­su­chen beschränkt hät­te. Des­we­gen hät­te die Beklag­te auch nicht auf die Ver­jäh­rungs­pro­ble­ma­tik hin­wei­sen müs­sen. Im Schei­dungs­ver­fah­ren sei dies­be­züg­lich ein aus­rei­chen­der Hin­weis durch Aus­hän­di­gung eines Merk­blatts erteilt wor­den.

Der Klä­ger ging in Beru­fung. Er rüg­te, eine Bera­tungs­pflicht zu Zuge­winn­aus­gleichs­an­sprü­chen hät­te sich im Schei­dungs­ver­fah­ren, jeden­falls aber ab 2015 auf­ge­drängt. Als juris­ti­scher Laie hät­te er nicht allein auf­grund der von sei­ner Ex-Frau gel­tend gemach­ten Zuge­winn­aus­gleichs­an­sprü­che zu der Über­zeu­gung kom­men müs­sen, dass ihm selbst auch der­ar­ti­ge Ansprü­che zuste­hen könn­ten. Man­gels qua­li­fi­zier­ter Bera­tung hät­te er eine Beauf­tra­gung der Beklag­ten bezüg­lich des Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruchs unter­las­sen.

III. Das Urteil des OLG

Die Beru­fung war teil­wei­se von Erfolg gekrönt. Das OLG sprach dem Klä­ger einen Scha­dens­er­satz­an­spruch in Höhe von 3.957,41 EUR zu.

1.  Anwalts­ver­trag

Anläss­lich des Aus­kunfts­er­su­chens der Ehe­frau sei ein Man­dat begrün­det wor­den, das zumin­dest auch die außer­ge­richt­li­che Prü­fung von Zuge­winn­aus­gleichs­an­sprü­chen umfasst hät­te. Dies hät­te sich bereits aus der Gebüh­ren­no­te erge­ben („Vermögensauseinandersetzung/Zugewinnausgleich“), aber auch dar­aus, dass die Beklag­te das Schrei­ben der Gegen­sei­te zu deren Aus­kunfts­er­su­chen beant­wor­tet hät­te.

2. Pflicht­ver­let­zung

Dass die Beklag­te im Rah­men die­ses Man­dats­ver­tra­ges nicht auf das offen­sicht­li­che Bestehen eines eige­nen Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruchs hin­ge­wie­sen hät­te, begrün­de eine Pflicht­ver­let­zung. Es müs­se zwar zur Bestim­mung des Umfangs der Haf­tung dif­fe­ren­ziert wer­den, ob einem Anwalt bei Abschluss eines Man­dats ein umfas­sen­des oder nur ein beschränk­tes Man­dat erteilt wor­den sei, hier sprä­che jedoch eini­ges dafür, dass die Beklag­te 2015 ins­ge­samt in der Ange­le­gen­heit „Zuge­winn­aus­gleich“ man­da­tiert wor­den sei:

„Die Fra­gen ob Zuge­winn­aus­gleichs­an­sprü­che der Ehe­frau einer­seits oder des Ehe­manns ande­rer­seits bestehen, las­sen sich natur­ge­mäß nicht von­ein­an­der tren­nen. Unab­hän­gig davon, wer Ansprü­che gel­tend macht, han­delt es sich um eine ein­heit­li­che Berech­nung mit den­sel­ben (aus den §§ 1373 ff BGB) resul­tie­ren­den Berech­nungs­pa­ra­me­tern. Ein Rechts­an­walt, der prüft und berech­net, ob Zuge­winn­aus­gleichs­an­sprü­che des geg­ne­ri­schen Ehe­gat­ten bestehen, prüft und berech­net stets (bestehen­de oder nicht bestehen­de) Aus­gleichs­an­sprü­che des eige­nen Man­dan­ten mit.“

Dass die Beklag­te Zah­lungs­an­sprü­che zumin­dest über­schlä­gig geprüft hät­te, hät­te sich aus deren Schrei­ben an die Gegen­sei­te erge­ben. Außer­dem hät­te sich der abge­rech­ne­te Streit­wert von 90.500 EUR bei einem Tätig­wer­den nur bezo­gen auf die Beant­wor­tung des Aus­kunfts­er­su­chens nicht recht­fer­ti­gen las­sen.

3. Min­des­tens Neben­pflicht­ver­let­zung

Auch bei Annah­me eines nur beschränk­ten Man­dats wäre aber zumin­dest von einer Neben­pflicht­ver­let­zung nach § 241 Abs. 2 BGB aus­zu­ge­hen. Anhand der bereits 2015 bekann­ten Para­me­ter wäre näm­lich für einen mit dem Fami­li­en­recht betrau­ten Rechts­be­ra­ter auf den ers­ten Blick erkenn­bar gewe­sen, dass dem Klä­ger ein Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruch aus § 1378 Abs. 1 BGB zuge­stan­den hät­te. Das Zah­len­ma­te­ri­al zum Anfangs- und End­ver­mö­gen der Ehe­leu­te sei über­schau­bar gewe­sen, ein Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruch des Klä­gers daher offen­sicht­lich. Die Beklag­te wäre inso­fern gehal­ten gewe­sen ihn auf die­sen Anspruch hin­zu­wei­sen, um ihm „eine eigen­ver­ant­wort­li­che und sach­ge­rech­te Ent­schei­dung über etwa­ige außer­ge­richt­li­che oder gericht­li­che Gel­tend­ma­chung sei­ner Ansprü­che zu ermög­li­chen.“

4. Ord­nungs­ge­mä­ße Bera­tung nicht dar­ge­legt

Dem sei die Beklag­te auch nach ihrer eige­nen Dar­le­gung nicht gerecht gewor­den. Sie hät­te bereits nicht vor­ge­tra­gen, den Klä­ger über das Bestehen eines Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruchs auf­ge­klärt zu haben. Dass er eine Gel­tend­ma­chung der­ar­ti­ger Ansprü­che nicht gewünscht, son­dern nur die Aus­ein­an­der­set­zung des Hau­ses gewollt habe, ent­las­te sie gleich­falls nicht. Eine eigen­ver­ant­wort­li­che Ent­schei­dung wäre dem Klä­ger schließ­lich erst nach ent­spre­chen­der Auf­klä­rung mög­lich gewe­sen. Zudem miss­ver­ste­he die Beklag­te den Zusam­men­hang zwi­schen Zuge­winn­aus­gleichs­an­sprü­chen und Ver­mö­gens­aus­ein­an­der­set­zung. Mit dem Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruch wür­de der (unter­schied­li­che) Zuge­winn der Ehe­leu­te durch eine Geld­for­de­rung aus­ge­gli­chen, aber kei­ne Ver­tei­lung der im Mit­ei­gen­tum ste­hen­den Ver­mö­gens­wer­te. Die Aus­ein­an­der­set­zung des Mit­ei­gen­tums am Haus­an­we­sen kön­ne dage­gen nöti­gen­falls durch Tei­lungs­ver­stei­ge­rung erfol­gen, einen unmit­tel­ba­ren Zusam­men­hang zwi­schen die­sen Pro­blem­krei­sen gäbe es nicht. Die Ein­schät­zung der Beklag­ten, Zuge­winn­aus­gleichs­an­sprü­che könn­ten im Wege der Ver­mö­gens­aus­ein­an­der­set­zung gere­gelt wer­den, sei auch des­halb pflicht­wid­rig gewe­sen, weil die Ver­jäh­rung des Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruchs gedroht hät­te.

Dass die Beklag­te Grund zu der Annah­me hät­te haben kön­nen, der Klä­ger sei gene­rell nicht an der Gel­tend­ma­chung eige­ner Aus­gleichs­an­sprü­che inter­es­siert gewe­sen, sei nach Lage der Din­ge abwe­gig. Der Klä­ger hät­te vor dem Land­ge­richt unwi­der­spro­chen vor­ge­tra­gen, es sei ihm eigent­lich nur um sei­nen (vor­weg­ge­nom­me­nen) Erb­teil gegan­gen. Die­ses Ziel hät­te die Beklag­te dahin­ge­hend ein­ord­nen müs­sen, dass ein dies­be­züg­li­cher Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruch gel­tend gemacht wer­den soll­te.

5. Scha­dens­hö­he

Der Höhe nach sah das OLG die gel­tend gemach­ten For­de­run­gen jedoch nur teil­wei­se als begrün­det an, weil es einer­seits ein Anfangs­ver­mö­gen auch der Ehe­frau annahm (in Form eines Bau­spar­ver­tra­ges) und ande­rer­seits ein höhe­res Anfangs­ver­mö­gen des Klä­gers nicht als bewie­sen ansah.

6. Feh­len­de Kau­sa­li­tät?

Dass der Klä­ger sich beim Ver­kauf des gemein­sa­men Hau­ses an einen Ver­wand­ten sei­ner geschie­de­nen Frau „irra­tio­nal groß­zü­gig“ gezeigt hät­te, war nach Auf­fas­sung des OLG uner­heb­lich. Ver­kaufs­er­lös und Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruch stün­den in kei­nem Kau­sal­zu­sam­men­hang. Die Beklag­te kön­ne hier­aus folg­lich auch kei­ne Rech­te her­lei­ten.

7. Ver­jäh­rung

Auch der von der Beklag­ten gel­tend gemach­ten Ein­re­de der Ver­jäh­rung erteil­te das Gericht eine Absa­ge. Der Scha­den hät­te sich mit Ver­jäh­rung des Zuge­winn­aus­gleichs­an­spruchs des Klä­gers gegen sei­ne Ehe­frau rea­li­siert. Anknüp­fend an die Rechts­kraft der Schei­dung und die „recht­lich zutref­fen­de Erfas­sung der Tat­sa­chen, die zur Been­di­gung des Güter­stan­des füh­ren“ (bejaht auf­grund der zwei­fa­chen Aus­hän­di­gung des Merk­blat­tes durch die Beklag­te in 2012) sei der Scha­den nach der gesetz­li­chen Regel­ver­jäh­rung mit Ablauf des Jah­res 2015, also am 1. Janu­ar 2016 um 0.00 Uhr ent­stan­den. Der Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers gegen­über der Beklag­ten wäre dem­zu­fol­ge — wie­der­um abge­stellt auf die regel­mä­ßi­ge Ver­jäh­rungs­frist – mit Ablauf des Jah­res 2019 ver­jährt. Kla­ge wur­de aber noch am 12.12.2019 erho­ben.

Ass. jur. Rudolf Bau­er,

LL.M. Ver­si­che­rungs­recht