Eine zusam­men­fas­sen­de und wer­ten­de Dar­stel­lung zu BGH, Urteil vom 25. Okto­ber 2018 — IX ZR 168/17

 

I.   Vor­in­stan­zen

Der Klä­ger nahm sei­nen Steu­er­be­ra­ter zunächst vor dem LG Würz­burg auf Zah­lung von Scha­dens­er­satz in Höhe von 50.671,06 EUR in Anspruch. Dem lag – ver­kürzt – fol­gen­der Sach­ver­halt zugrun­de:

Der bis dahin abhän­gig beschäf­tig­te Klä­ger hat­te die Absicht gehabt, zusätz­lich Fahr­dienst­leis­tun­gen zu erbrin­gen und hat­te zum 01.12.2002 ein Gewer­be ange­mel­det: „Ver­mie­tung von Maschi­nen, Fahr­dienst­leis­tun­gen, Han­del mit Land­wirt­schafts­ma­schi­nen“. Vor­aus­ge­gan­gen war ein Gespräch mit dem Beklag­ten. Außer­dem wur­de der Beklag­te in der ers­ten Hälf­te des Jah­res 2003 mit der Erstel­lung von Ein­kom­mens­steu­er- und Umsatz­steu­er­erklä­run­gen beauf­tragt.

Am 04.11.2008 fand bei dem Klä­ger eine Betriebs­prü­fung statt. Der ange­mel­de­te Gewer­be­be­trieb wur­de vom Finanz­amt nicht mehr aner­kannt, mit der Fol­ge, dass der Klä­ger Ver­lus­te aus die­ser Tätig­keit nicht mehr mit ande­ren Ein­künf­ten ver­rech­nen konn­te. Der spä­te­re Beklag­te hielt die Rechts­auf­fas­sung des Finanz­am­tes für falsch und dräng­te den Klä­ger dazu, Ein­spruch gegen die abge­än­der­ten Beschei­de ein­zu­le­gen – im Ergeb­nis erfolg­los. In einem Schrei­ben vom 7. August 2009 teil­te das Finanz­amt dem Klä­ger mit, dass es kei­ne Mög­lich­keit sehe, den Ein­sprü­chen zu ent­spre­chen. Im Jah­re 2013 ließ der nun anwalt­lich ver­tre­te­ne Klä­ger den Ein­spruch zurück­neh­men.

Der Klä­ger hat dem Beklag­ten erst­in­stanz­lich unter ande­rem vor­ge­wor­fen, ihn im Zusam­men­hang mit der Neu­grün­dung des Gewer­bes unrich­tig bera­ten zu haben. Er habe ihn nicht auf Total­ge­winn­über­schuss­pro­gno­se­rech­nun­gen, einen Busi­ness­plan sowie Fra­gen des § 22 Nr. 3 EstG, ins­be­son­de­re auf die Abgren­zung des Bereichs der Ver­mö­gens­ver­wal­tung zu dem Betrei­ben eines Gewer­be­be­triebs hin­ge­wie­sen. Der Beklag­te hät­te des­halb die Steu­er­nach­tei­le aus den den Klä­ger belas­ten­den Steu­er­be­schei­den zu ver­tre­ten.

Außer­dem warf er dem Beklag­ten vor, die­ser hät­te ihn nicht auf die Gefahr der Nicht­an­er­ken­nung des Gewer­be­be­triebs und der dar­aus fol­gen­den feh­len­den Mög­lich­keit einer Ver­rech­nung der Ver­lus­te mit ander­wei­ti­gen Ein­nah­men hin­ge­wie­sen und feh­ler­haft für alle Ein­künf­te ein­heit­lich Buch geführt und Über­schuss­be­rech­nun­gen erstellt.

Auch habe der Beklag­te feh­ler­haft zur Ein­le­gung der Ein­sprü­che gegen die Steu­er­be­schei­de gera­ten.

Das LG Würz­burg wies die Kla­ge im Hin­blick auf die ver­meint­lich feh­ler­haf­te Grün­dungs­be­ra­tung ab, weil bereits kein Ver­trags­schluss mit dem beklag­ten Steu­er­be­ra­ter vor der Gewer­be­an­mel­dung nach­ge­wie­sen wer­den konn­te. Aber auch im Übri­gen wur­de die Kla­ge abge­wie­sen.

Hin­sicht­lich des feh­len­den Hin­wei­ses auf eine mög­li­che Nicht­an­er­ken­nung des Gewer­be­be­triebs hat der Klä­ger sei­nen Anspruch in der Beru­fungs­in­stanz wei­ter­ver­folgt. Das OLG ging jedoch – wie zuvor bereits das LG – davon aus, dass die dies­be­züg­li­chen Ansprü­che ver­jährt sei­en. Man berief sich inso­weit auf die belas­ten­den Steu­er­be­schei­de aus 2009 und dar­auf, dass sich der Klä­ger schon im lau­fen­den Ein­spruchs­ver­fah­ren anwalt­li­cher Hil­fe und Bera­tung bedient habe, sich also die Kennt­nis­se sei­nes vor­ma­li­gen Pro­zess­voll­mäch­ti­gen anrech­nen las­sen müs­se.

 

II.   Die Ent­schei­dung des BGH

Maß­geb­lich für die Ver­jäh­rung ist nach den auch für die Steu­er­be­ra­ter­haf­tung gel­ten­den all­ge­mei­nen Vor­schrif­ten (§§ 194 ff. BGB) die Kennt­nis oder grob fahr­läs­si­ge Unkennt­nis der anspruchs­be­grün­den­den Umstän­de.

Die dies­be­züg­li­chen Fest­stel­lun­gen der Vor­in­stan­zen sah der BGH als unzu­rei­chend an. Es rei­che nicht aus, wenn dem Gläu­bi­ger Umstän­de bekannt wür­den, nach denen zu sei­nen Las­ten ein Rechts­ver­lust ein­ge­tre­ten sei. Gemeint waren die belas­ten­den Steu­er­be­schei­de. Ein nach­tei­li­ger Steu­er­be­scheid oder eine Mit­tei­lung des Finanz­amts wür­den kei­ne Kennt­nis der steu­er­recht­li­chen Lage ver­mit­teln, wenn der vom Man­dan­ten beauf­trag­te Steu­er­be­ra­ter, gegen den sich der Scha­dens­er­satz­an­spruch rich­te, die im Bescheid oder im Schrei­ben ver­tre­te­ne Ansicht als unrich­tig bezeich­ne und zur Ein­le­gung des Rechts­be­helfs rate. In einem sol­chen Fall, so der BGH, kön­ne vom Man­dan­ten regel­mä­ßig nicht erwar­tet wer­den, einen wei­te­ren Steu­er­be­ra­ter zu beauf­tra­gen, um die Rich­tig­keit der Aus­künf­te und Emp­feh­lun­gen sei­nes Bera­ters zu über­prü­fen. Der BGH über­trug damit erst­mals, die in die­sem Kon­text bereits zur Anwalts­haf­tung ergan­ge­ne Recht­spre­chung auch auf Steu­er­be­ra­ter.

Der BGH bemän­gel­te außer­dem, dass dem Klä­ger vor­in­stanz­lich das Wis­sen sei­nes vor­ma­li­gen Rechts­an­wal­tes zuge­rech­net wor­den war, ohne dass zu den Vor­aus­set­zun­gen einer Wis­sens­zu­rech­nung Fest­stel­lun­gen getrof­fen wur­den. Vor­aus­set­zung sei zunächst die Beauf­tra­gung des neu­en Rechts­an­walts. Des­sen Kennt­nis oder grob fahr­läs­si­ge Unkennt­nis kön­ne ihm frü­hes­tens vom Zeit­punkt der Beauf­tra­gung an zuge­rech­net wer­den. Es müs­se sich außer­dem um Kennt­nis­se han­deln, wel­che der anwalt­li­che Bera­ter im Rah­men des ihm erteil­ten Auf­trags erlangt oder ver­wer­tet habe. Dem ste­he es gleich, wenn er die­se Kennt­nis­se grob fahr­läs­sig nicht erlangt oder nicht ver­wer­tet hät­te, obwohl ihm dies recht­lich mög­lich und zumut­bar gewe­sen wäre. Der­ar­ti­ge Kennt­nis­se sei­en jeden­falls dann zuzu­rech­nen, wenn der neue Anwalt mit der Ver­fol­gung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen gegen den frü­he­ren Bera­ter beauf­tragt wür­de. Eine Zurech­nung kom­me regel­mä­ßig jedoch auch in Betracht, wenn der Anwalt mit der Fort­füh­rung oder Über­prü­fung des ers­ten, dem spä­te­ren Anspruchs­geg­ner erteil­ten Man­dats beauf­tragt wür­de, auf wel­chem der Scha­dens­er­satz­an­spruch beru­he.

 

III.   Wer­tung

Wer sich einen Bera­ter anver­traut, tut dies in der Regel, weil er selbst über kei­ne aus­rei­chen­de Sach­kun­de in der ent­spre­chen­den Mate­rie ver­fügt. Die Recht­spre­chung schützt die­je­ni­gen, die eine Bera­tung in Anspruch neh­men des­halb auch in ihrem Ver­trau­en auf deren Sach­kun­de. Dann aber ist es nur kon­se­quent, einem Recht­su­chen­den nicht auf­zu­bür­den, die Emp­feh­lun­gen sei­nes Bera­ters durch Hin­zu­zie­hung wei­te­rer Rechts­be­ra­ter über­prü­fen zu las­sen, gleich­gül­tig ob es sich um ein anwalt­li­ches oder ein steu­er­be­ra­ten­des Man­dat han­delt. Wo woll­te man ansons­ten auch die Gren­ze zie­hen? Wie vie­le Rechts­mei­nun­gen soll­te der Recht­su­chen­de ein­ho­len müs­sen? End­gül­ti­ge Rechts­si­cher­heit ist schließ­lich immer nur durch ein rechts­kräf­ti­ges Urteil zu erlan­gen.

 

Ass. jur. Rudolf Bau­er,

LL.M. Ver­si­che­rungs­recht