„Seltene Abfindung“
Entwickelt sich eine Kapitalanlage nicht wie erhofft, sind auch vermeintlich mündige Anleger schnell mit Schadensersatzforderungen bei der Hand. Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer der Anlagevermittler und ‑berater gewähren dann regelmäßig Versicherungsschutz in Form des Abwehrschutzes, nicht selten unter Vorbehalt, etwa weil ein Ausschlussgrund einschlägig sein könnte oder die Einhaltung von Deckungsvoraussetzungen strittig ist. Dies bringt manchen Vermittler in eine schwierige Zwickmühle.
A. Der Haftungsfall
„Hiermit zeige ich die Vertretung von Herrn J an“, begann ein dem Anlagerberater R Anfang 2016 zugestelltes, Anwaltsschreiben, dass mit der Aufforderung endete, die Schadensersatzforderungen von dessen Mandanten, besagtem J, dem Grunde nach anzuerkennen. Diese beliefen sich auf rund 90.000 EUR und resultierten aus der Beteiligung an einem geschlossenen Fonds, die J nach Beratung durch R im Jahr 2008 gezeichnet hatte. Wie so oft in derartigen Fällen gab es ein ganzes Bündel vermeintlicher Beratungsfehler, die man dem Anlageberater ankreidete. Auch die Fehlerhaftigkeit des Verkaufsprospektes wurde zur Begründung herangezogen. R meldete den Vorgang seiner Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung.
B. Deckungsebene
Nach Auswertung aller Unterlagen, die R noch zur Beratung des Anlegers in Bezug auf die streitgegenständliche Kapitalanlage beibringen konnte, lehnte der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer Versicherungsleistungen ab, unter anderem, weil man die Vorwürfe der Gegenseite dahingehend interpretierte, dass die Forderungen auf Prospekthaftung gestützt würden, für die die maßgeblichen Versicherungsbedingungen einen Ausschluss vorsahen. An diesem Punkt konnten wir argumentieren, dass nicht erkennbar war, dass Berater R als Prospektverantwortlicher gehandelt hätte, die Vorwürfe vielmehr dahingehend zu verstehen seien, dass er die Kapitalanlage angeblich nicht auf ihre Plausibilität hin geprüft hätte, weil ihm ansonsten die Prospektmängel aufgefallen wären. Der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer kam uns insofern entgegen, als dass man sich bereit erklärte, die deckungsrechtlichen Bedenken zunächst zurückzustellen und „vorbehaltlich der bedingungsgemäßen Ausschlüsse“ Abwehrschutz zu gewähren. Dies ist zwar durchaus nicht unüblich und gerade in denjenigen Fällen, bei denen ernsthaft befürchtet werden muss, dass tatsächlich ein Ausschlusstatbestand greifen könnte auch eine sachgerechte Lösung, half dem Anlageberater hier jedoch nur bedingt. Denn das hätte bedeutet, es auf eine Haftungsklage des Anlegers ankommen zu lassen. Dieses Risiko wollte R jedoch gerade nicht eingehen, weil es zu der streitgegenständlichen Kapitalanlage bereits Gerichtsentscheidungen gab, in denen Prospektfehler tatsächlich festgestellt worden waren und darüber hinaus diverse Fälle in denen Anlageberater auf Drängen der Gerichte zum Teil nicht unerhebliche Vergleiche hatten schließen müssen. Ein vollumfängliches Obsiegen vor Gericht erschien deshalb – so auch die Einschätzung von unterschiedlichen Fachanwälten – nahezu ausgeschlossen, ein Vergleich vielmehr der wahrscheinlichste Ausgang. Auch bei einem verhältnismäßig geringen Vergleichsbetrag wäre die Belastung für R angesichts des Anlagebetrags, der Gerichts- und Anwaltskosten aber immer noch so hoch gewesen, dass er in Anbetracht des über ihm schwebenden Damoklesschwertes des nur vorbehaltlich gewährten Versicherungsschutzes um die Fortführung seines Gewerbes fürchten musste. R wollte sich deshalb möglichst außergerichtlich mit dem Anspruchsteller einigen und beauftragte seinerseits einen Rechtsanwalt um die diesbezüglichen Möglichkeiten auszuloten. Die Gegenseite signalisierte dann auch tatsächlich Vergleichsbereitschaft. Ein Betrag von 18.000 EUR stand im Raum.
Versichererseitig stand man diesem Ansinnen allerdings zunächst kritisch gegenüber. Denn die maßgeblichen Versicherungsbedingungen sahen als Deckungsvoraussetzung – wie vor Einführung von § 34f GewO üblich – eine vom Anleger unterschriebene Dokumentation insbesondere zum Hinweis auf das Totalverlustrisiko vor. Diesbezüglich waren die Unterlagen, die R vorlegen konnte, zwar nicht gänzlich unergiebig, objektiv betrachtet aber leider auch nicht so aussagekräftig, dass Versicherungsschutz zwingend hätte gewährt werden müssen. Schlussendlich konnten wir aber erreichen, dass der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer zusicherte, sich an dem avisierten Vergleich mit 12.000 EUR zu beteiligen. R, der ohnehin einen Selbstbehalt von 1.000 EUR einzubringen hatte, war einverstanden und übernahm das fehlende Drittel des Vergleichsbetrages.
C. Fazit
Dass Haftungsfälle aus dem Bereich der Anlagevermittlung bzw. ‑beratung außergerichtlich verglichen werden, ist nach unseren Erfahrungen eher die Ausnahme. Angesichts der Vielzahl von Fällen, in denen bestimmte Kanzleien mit unspezifischen Massenanschreiben Schadensersatzforderungen für Anleger geltend machen, denen es seltsamerweise nie um eine nennenswerte Rendite, aber immer um eine sichere Altersvorsorge ging, geben die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer regelmäßig einer gerichtlichen Klärung den Vorzug.