„Ver­trau­en ist gut, Kon­trol­le ist… not­wen­dig?“

Hat ein Ver­si­che­rungs­mak­ler nach­weis­lich die ihm oblie­gen­den Pflich­ten ver­letzt und ist einem Kun­den dadurch ein Ver­mö­gens­scha­den ent­stan­den, ist es an dem Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer des Mak­lers, die­sen von den berech­tig­ten For­de­run­gen des Kun­den frei­zu­stel­len. Bei der Fra­ge, in wel­chem Umfang die For­de­run­gen „berech­tigt“ sind, wird ver­si­che­rer­sei­tig aber regel­mä­ßig auch geprüft, ob nicht ein Mit­ver­schul­den des Geschä­dig­ten nach § 254 BGB in Abzug zu brin­gen ist. Nicht immer kom­men die Ver­si­che­rer dabei zu Ergeb­nis­sen, die sich mit der Recht­spre­chung in Ein­klang brin­gen las­sen

A. Haf­tungs­ebe­ne

Im Mai 2018 bestell­te Herr K bei einem Auto­händ­ler ein Lea­sing­fahr­zeug im Wert von rund 75.000 EUR und unter­schrieb auch den ent­spre­chen­den Lea­sing­ver­trag. Als im August die Zulas­sung des Fahr­zeugs anstand, wand­te K sich tele­fo­nisch an sei­nen Ver­si­che­rungs­mak­ler M. M nahm die not­wen­di­gen Daten auf und ver­sprach, sich um alles Wei­te­re zu küm­mern. Er wies K auch auf das GAP-Risi­ko hin und woll­te wis­sen, ob es hier­zu Rege­lun­gen im Lea­sing­ver­trag gäbe. K kon­tak­tier­te dar­auf­hin noch­mals das Auto­haus und ver­ein­bar­te, dass der Lea­sing­ver­trag um eine GAP-Deckung erwei­tert wer­den soll­te. Anschlie­ßend fuhr er zum Büro des M und infor­mier­te die­sen. Gemein­sam ging man dann den von M bereits vor­be­rei­te­ten Antrag durch. K beton­te dabei, dass er in jedem Fall auch eine Kas­ko-Deckung wün­sche. M sicher­te dies zu, K unter­schrieb dar­auf­hin den Antrag und man bean­trag­te die eVB.

Am 23.10.2018 ent­stand durch einen selbst­ver­schul­de­ten Unfall ein Scha­den von rund 5.800 EUR an dem neu­en Fahr­zeug. Als M die­sen für sei­nen Kun­den bei der Ver­si­che­rung mel­den woll­te, stell­te er fest, dass fälsch­li­cher­wei­se gar kein Kas­ko­schutz bean­tragt wor­den war. Im Antrag war an der ent­spre­chen­den Stel­le ver­ges­sen wor­den, ein Häk­chen zu set­zen. M mel­de­te den Vor­gang dar­auf­hin sei­nem Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer.

B. Deckungs­ebe­ne

Nach Prü­fung der vor­ge­leg­ten Unter­la­gen teil­te der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer zunächst mit, man hät­te Zwei­fel, dass K über­haupt eine Kas­ko­de­ckung hät­te bean­tra­gen wol­len und wür­de daher dazu ten­die­ren, Abwehr­schutz zu gewäh­ren. Das ent­sprach natür­lich weder den Erwar­tun­gen von K, noch den Erwar­tun­gen von M, der sich gegen­über sei­nem Kun­den in der Ver­ant­wor­tung sah. Außer­dem fan­den sich deut­li­che Hin­wei­se dar­auf, dass K eben nicht nur eine rei­ne Kfz-Haft­pflicht­ver­si­che­rung hat­te abschlie­ßen wol­len. Zwar gab es kein geson­der­tes Bera­tungs­pro­to­koll, das hier hät­te her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen – was allein schon auf­grund der Beweis­last­um­kehr eher für eine Regu­lie­rung gespro­chen hät­te –, aber M hat­te, unmit­tel­bar nach­dem er sei­nen Feh­ler bemerk­te, eine Voll­kas­ko­ver­si­che­rung für etwa­ige zukünf­ti­ge Scha­dens­fäl­le bean­tragt. Auch hat­te K bereits in der Ver­gan­gen­heit meh­re­re Fahr­zeu­ge über M ver­si­chern las­sen – jeweils mit Voll­kas­ko-Schutz. Und nicht zuletzt sprach ja auch der Fahr­zeug­wert dafür, dass man ver­nünf­ti­ger­wei­se nicht auf die­se Opti­on ver­zich­tet hät­te. Damit von uns kon­fron­tiert, wand­te der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer ein, dass man auch bei Annah­me einer Pflicht­ver­let­zung des M kei­ne Ver­an­las­sung sehen wür­de, den Scha­den voll­stän­dig zu regu­lie­ren. Denn K müs­se sich ein über­wie­gen­des Mit­ver­schul­den anrech­nen las­sen. Er hät­te den Ver­si­che­rungs­an­trag, der eben nur eine Ver­si­che­rungs­prä­mie aus­ge­wie­sen hät­te, selbst unter­zeich­net und es nicht etwa nur M über­las­sen, den Antrag per Mak­ler­voll­macht zu stel­len. K hät­te zudem außer­dem den Ver­si­che­rungs­schein erhal­ten, wel­cher ledig­lich eine Kfz-Haft­pflicht aus­ge­wie­sen hät­te. Ent­ge­gen­kom­mend wür­de man im Erle­di­gungs­in­ter­es­se 2.300 EUR anbie­ten, was einem Mit­ver­schul­den des K von rund 60% ent­sprach. Dies war unse­res Erach­tens nicht sach­ge­recht.

Zwar gibt es durch­aus höchst- und ober­ge­richt­li­che Ent­schei­dun­gen, in denen ein Mit­ver­schul­den eines durch einen Mak­ler betreu­ten VN ange­nom­men wur­de – so hat­te etwa der BGH bereits im soge­nann­ten Sach­wal­ter­ur­teil (Urteil vom 22.05.1985 – IV a ZR 190/83) fest­ge­stellt, eine völ­li­ge Ent­las­tung des Mak­lers schei­de aus, eine Mit­haf­tung der VN käme aber in Betracht –, zugleich wird bei Anse­hung der Recht­spre­chung aber auch deut­lich, dass dies­be­züg­lich Zurück­hal­tung gebo­ten ist. So wur­de im Sach­wal­ter­ur­teil hin­sicht­lich einer etwa­igen Mit­haf­tung aus­drück­lich auf die Beson­der­hei­ten des Ein­zel­falls abge­stellt. Zudem ent­spricht es eben­falls stän­di­ger Recht­spre­chung des BGH, dass dem zu Bera­ten­den nicht vor­ge­hal­ten wer­den kann, er hät­te das, wor­über ihn sein Bera­ter hät­te auf­klä­ren sol­len, bei ent­spre­chen­den Bemü­hun­gen auch ohne frem­de Hil­fe erken­nen kön­nen. Selbst wenn eine zu bera­ten­de Per­son über ein­schlä­gi­ge Kennt­nis­se ver­fügt, muss sie dar­auf ver­trau­en kön­nen, dass der von ihr beauf­trag­te Bera­ter die anste­hen­den Fra­gen feh­ler­frei bear­bei­tet, ohne dass eine Kon­trol­le not­wen­dig ist (BGH, Urteil vom 30.11.2017 – I ZR 143/16).

Die manch­mal all­zu pau­scha­le Annah­me eines Mit­ver­schul­dens durch Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer ist vor dem Hin­ter­grund der dar­ge­stell­ten Recht­spre­chung sehr zwei­fel­haft und mutet zuwei­len wie eine Ana­lo­gie zur Betriebs­ge­fahr aus dem Stra­ßen­ver­kehrs­recht an. Auch im hier vor­lie­gen­den Fall dräng­ten sich Kri­tik­punk­te auf: Zwar hat­te K unstrit­tig den Antrag selbst unter­schrie­ben, aber zuvor hat­te er M ja expli­zit dar­auf hin­ge­wie­sen, er wol­le auch das Kas­ko-Risi­ko ver­si­chern. Wenn M zusi­cher­te – fälsch­li­cher­wei­se dar­auf ver­trau­end, er habe den Antrag dahin­ge­hend kor­rekt vor­be­rei­tet – auch das Kas­ko-Risi­ko wäre abge­si­chert, dann kann man sich durch­aus fra­gen, ob über­haupt Raum für ein Mit­ver­schul­den war. Hin­zu kam, dass in dem unter­schrie­be­nen Antrag das besag­te Häk­chen ver­ges­sen wor­den war und des­halb an ande­rer Stel­le auto­ma­tisch „Kas­ko-Ser­vice: n“ stand, die­se Ein­tra­gun­gen jedoch recht klein gehal­ten waren und dem K zusam­men mit dem eigent­li­chen Antrag ein 14-sei­ti­ges Kon­vo­lut über­ge­ben wor­den war (SEPA-Last­schrift­man­dat, Pro­dukt­in­for­ma­ti­ons­blatt, Kun­den­in­for­ma­tio­nen etc.), in dem auch die Kas­ko-Deckung erläu­tert wur­de. Ein ver­si­che­rungs­un­kun­di­ger Leser – bei K han­del­te es sich um einen Zahn­arzt – konn­te bei flüch­ti­ger Durch­sicht also durch­aus den Ein­druck gewin­nen, er wür­de auch eine Kas­ko­ver­si­che­rung abschlie­ßen.

Nach­dem wir dem Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer unse­re Beden­ken mit­ge­teilt hat­ten, unter­brei­te­te die­ser schließ­lich ein Abfin­dungs­an­ge­bot über 4.600 EUR. Da man bei die­sem Ange­bot auch die von K erspar­ten Ver­si­che­rungs­prä­mi­en berück­sich­tigt hat­te, lag der vom Ver­si­che­rer ange­nom­me­ne Mit­ver­schul­dens­an­teil nun also bei unter 20%. Dies wur­de von K akzep­tiert.