„Der fehlende Baustein“
(Vermeintliche) Fehler bei der Umdeckung einer Rechtsschutzversicherung gehören zu den wohl häufigsten Fällen, mit denen sich die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer der Versicherungsvermittler auseinandersetzen müssen. Vermutlich ist es die komplexe Struktur der Rechtsschutzversicherung, die nicht nur die VN, sondern immer wieder auch die Vermittler vor Probleme stellt. Manchmal ist es allerdings auch nur die Versicherungsprämie, die den Blick auf die Realität verstellt.
A. Sachverhalt
2006 schlossen die Eheleute A über eine Agentur der Z‑Versicherung eine Rechtsschutzversicherung ab. Herr A war seinerzeit als Angestellter für ein größeres IT-Unternehmen tätig, seine Frau kümmerte sich um den Haushalt. Der Rechtsschutzvertrag der Eheleute beinhaltete die Bausteine Privat‑, Verkehrs- und Berufsrechtsschutz und bot folglich auch Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen.
Im August 2008 machte sich der A als „Service-Dienstleister für EDV- und IT-Lösungen“ selbständig. Da sich das Geschäft allerdings nicht wie erhofft entwickelte, sah A sich alsbald gezwungen, verschiedene Einsparungen vorzunehmen. Er suchte daraufhin den Versicherungsmakler M auf, um seine Versicherungsverträge (Privat- und Betriebshaftpflicht, Hausrat, Kfz) im Hinblick auf die Versicherungsprämien optimieren zu lassen. M zeigte dem A tatsächlich unterschiedliche Möglichkeiten auf, wie er seine Versicherungsausgaben senken könne. Unter anderem veranlasste M auch eine Umdeckung der Rechtsschutzversicherung zur X‑Versicherungs AG.
Da der berufliche Erfolg weiter auf sich warten ließ, entschied sich Frau A, zum 01.09.2009 eine Anstellung als Buchhalterin anzunehmen.
Ende 2009 kamen die Eheleute A und Makler M erneut zu einem Beratungsgespräch zusammen. Dabei ging es vorwiegend um die Abwicklung eines kleineren Hausratschadens und den etwaigen Abschluss einer Krankentagegeldversicherung. In der Folgezeit regte M dann zwar noch mehrfach persönliche Beratungsgespräche an, diese scheiterten jedoch regelmäßig am Terminkalender der Eheleute A.
Im Februar 2014 wurde Frau A nach verschiedenen Differenzen von ihrem Arbeitgeber gekündigt. Frau A war nicht gewillt, dies klaglos hinzunehmen. Zwar fand sie schnell eine neue Anstellung, allerdings nur zu einem deutlich geringeren Grundgehalt. Von Ihrem vormaligen Arbeitgeber forderte sie eine nicht unerhebliche Abfindung und schaltete — als der Arbeitgeber dies rundweg ablehnte — einen Rechtsanwalt ein. Dieser meldete den Vorgang der X‑Versicherungs AG. Deren Antwort kam prompt. Man teilte der A bzw. ihrem Anwalt mit, dass es bei der Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber offenkundig um einen Vorgang aus dem Bereich des Arbeits-Rechtsschutzes ginge, dass für derartige Streitigkeiten aber ausdrücklich kein Versicherungsschutz bestünde. Man bedaure zwar, der A keine bessere Mitteilung machen zu können, hoffe aber — aufgrund der eindeutigen Rechtslage — auf deren Verständnis.
B. Der Vorwurf
Frau A hatte kein Verständnis. Sie konfrontierte Makler M mit der Ablehnung des Versicherers und warf ihm vor, sie falsch beraten zu haben. Schließlich hätte der bei der Z‑Versicherung abgeschlossene und vom M gekündigte Vorvertrag auch den Arbeits-Rechtsschutz beinhaltet. Es sei nur eine Reduzierung der Versicherungsprämie, nicht aber des Versicherungsinhalts gewünscht gewesen. Außerdem hätte man den M bei der Besprechung im Dezember 2009 über die Eingehung eines Angestelltenverhältnisses informiert. M habe nun für die anfallenden Anwaltskosten der M aufzukommen. M meldete den Vorgang daraufhin seiner Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung
C. Die Entscheidung des Vermögensschaden-Haftpflichtversicherers
Der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer forderte zunächst den M auf, seine Sicht der Dinge darzulegen. M konnte sich nur noch bedingt an Einzelheiten der Gespräche mit den Eheleuten A erinnern. Er konnte insbesondere nicht ausschließen, über die Aufnahme der Angestelltentätigkeit informiert worden zu sein. Außerdem ließ sich der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer den Maklervertrag, den Antrag zur Rechtsschutzversicherung und die Beratungsdokumentationen vorlegen.
Nach Auswertung dieser Dokumente gewährte man dem Makler M Versicherungsschutz in Form des Abwehrschutzes. Denn aus der Dokumentation zur Beratung aus 2008 ergab sich eindeutig, dass es den Eheleuten A seinerzeit vor allem um eine Reduzierung Ihrer Versicherungsbeiträge ging. Zudem war in dem von den Eheleuten A unterschriebenen Antrag zur Rechtsschutzversicherung der Arbeitsrechtsschutz erkennbar abgewählt worden. Dies erschien auch nachvollziehbar, da sich bei Umdeckung der Rechtsschutzversicherung keiner der Ehepartner in einem Angestelltenverhältnis befand. Eine Pflichtverletzung des M ließ sich daher zunächst widerlegen — auch weil M die Beratungsdokumentation von seinen Kunden hatte unterschreiben lassen. Ein Beratungsfehler war für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung somit allenfalls noch im Hinblick auf das Gespräch aus Dezember 2009 in Betracht gekommen. Da sich in der zugehörigen Beratungsdokumentation aber kein Hinweis darauf fand, dass die Berufstätigkeit von Frau A bei diesem Termin zur Sprache gekommen war und der Maklervertrag überdies unter „Pflichten des Kunden“ vorsah, dass dieser Änderungen seiner persönlichen, beruflichen und finanziellen Verhältnisse anzuzeigen habe, ging man auch insoweit von einer unberechtigten Inanspruchnahme aus.
D. Fazit
Auch wenn die Beratungsdokumentation nach gesetzgeberischer Intention primär dem Verbraucherschutz dienen soll, kann sie — ebenso wie ein schriftlicher Maklervertrag — auch ein Instrument der Haftungsminimierung sein, vor allem dann, wenn Sie vom Kunden unterschrieben wurde. In unserem Ausgangsfall kam Makler M zudem zugute, dass er seinen Kunden — nachdem ihm der Arbeitsrechtsstreit angezeigt worden war — umgehend die Erweiterung des Rechtsschutzvertrages um den Baustein „Arbeitsrechtsschutz“ angeboten hatte. Frau A hatte dies jedoch — möglicherweise aus Verärgerung über M, möglicherweise, weil Sie die Mehrprämie scheute — abgelehnt. Es lag daher nahe, anzunehmen, dass A den Arbeits-Rechtsschutz in 2009 auch dann nicht abgeschlossen hätte, wenn man ihr dies angeboten hätte. Nicht nur die Pflichtverletzung des M war damit höchst fraglich, sondern auch deren Ursächlichkeit für den vermeintlichen Schaden. Die Entscheidung der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung war daher nicht zu beanstanden. M wies die Forderungen der A dementsprechend zurück. Zu einer klageweisen Inanspruchnahme ist es bis heute nicht gekommen.