„Haf­tung ja, Deckung nein“

Bei vor­sätz­li­cher Her­bei­füh­rung eines Scha­dens ist der Ver­si­che­rer bereits nach § 103 VVG nicht zur Leis­tung ver­pflich­tet. In der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung hat dage­gen der in den Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen ent­hal­te­ne Aus­schluss „wis­sent­li­cher Pflicht­ver­let­zun­gen“ eine grö­ße­re prak­ti­sche Rele­vanz.

Ende 2014 beauf­trag­te die spä­te­re Klä­ge­rin (K) ein Mak­ler­un­ter­neh­men (M) mit dem Ver­kauf eines in ihrem Eigen­tum ste­hen­den Mehr­fa­mi­li­en­hau­ses. Im Mak­ler­ver­trag wur­de zwi­schen den Ver­trags­par­tei­en ein Ziel­preis von 190.000 EUR und ein Ange­bots­preis von 229.000 EUR ver­ein­bart. Außer­dem sah der Ver­trag eine vom Käu­fer zu zah­len­de Außen­pro­vi­si­on von 2,38 % vor. Die Innen­pro­vi­si­on wur­de dage­gen nicht kon­kret bezif­fert, ledig­lich eine tarif­be­ding­te Min­dest­pau­scha­le von 4.500 EUR fest­ge­legt.

Auf­grund der Reno­vie­rungs­be­dürf­tig­keit der Immo­bi­lie, wur­de die­se von M für 289.000 EUR inse­riert, um etwa­igen Inter­es­sen­ten einen zu erwar­ten­den Nach­lass gewäh­ren zu kön­nen. Damit war K auch ein­ver­stan­den. Tat­säch­lich fan­den sich zwei Inter­es­sen­ten, die bereit waren 245.000 EUR zu bie­ten. Hier­über infor­mier­te M die Auf­trag­ge­be­rin aller­dings nicht. Statt­des­sen traf man mit einem der Inter­es­sen­ten eine zusätz­li­che Ver­ein­ba­rung, in der der Kauf­preis mit 230.000 EUR ange­ge­ben und für die Ver­trags­ver­mitt­lung eine Pro­vi­si­on in Höhe von 14.500 EUR gere­gelt wur­de. Anschlie­ßend über­mit­tel­te M der K den nota­ri­el­len Kauf­ver­trags­ent­wurf und teil­te mit, man hät­te — man­gels Gesprächs­mög­lich­keit mit der K — die Pro­vi­si­ons­kal­ku­la­ti­on ver­scho­ben. Die Innen­pro­vi­si­on läge nun bei 2,38 %, dafür sei die Käu­fer­pro­vi­si­on erhöht wor­den. Die K erklär­te sich damit ein­ver­stan­den und zahl­te die ihr in Rech­nung gestell­te Pro­vi­si­on in Höhe von 5.474 EUR. Spä­ter erfuhr die K dann aber von den Kauf­preis­an­ge­bo­ten über 245.000 EUR und rüg­te die Ver­let­zung von Treue- und Sorg­falts­pflich­ten aus dem Mak­ler­ver­trag. M hät­te dadurch den Anspruch auf Mak­ler­cour­ta­ge ver­wirkt. Sie begehr­te die Rück­zah­lung der geleis­te­ten 5.474 EUR und for­der­te dar­über hin­aus Scha­dens­er­satz für den ihr ent­gan­ge­nen Mehr­erlös. M war dage­gen der Ansicht, der K sei kein Scha­den ent­stan­den, da ursprüng­lich ein Ziel­er­lös von 190.000 EUR ver­ein­bart wor­den sei und man sich im wei­te­ren Ver­lauf auf einen Kauf­preis von 225.00 EUR bis 230.000 EUR geei­nigt hät­te. Ein dar­über hin­aus erziel­ter Ver­kaufs­er­lös hät­te M als Innen­pro­vi­si­on zuflie­ßen sol­len, bei den 4.500 EUR hät­te es sich nur um eine Min­dest­pro­vi­si­on bei Unter­schrei­ten des Ziel­prei­ses gehan­delt.

Das ange­ru­fe­ne Land­ge­richt gab der Klä­ge­rin recht. Der Anspruch auf Zah­lung der Mak­ler­cour­ta­ge sei nach § 654 BGB wegen einer schwer­wie­gen­den Treue­pflicht­ver­let­zung ver­wirkt. Zwi­schen Mak­ler und Auf­trag­ge­ber bestün­de ein beson­de­res Treue­ver­hält­nis, das den Mak­ler ver­pflich­te, im Rah­men des Zumut­ba­ren, die Inter­es­sen des Auf­trag­ge­bers zu wah­ren. Dazu gehö­re auch die Infor­ma­ti­on über alle Kauf­in­ter­es­sen­ten und Gebo­te. Die K hät­te dar­auf ver­trau­en dür­fen, dass M den höchst­mög­li­chen Kauf­preis erzie­len wür­de. Die Ver­ein­ba­rung zum Ziel­preis von 190.000 EUR stün­de dem nicht ent­ge­gen. Es wür­de jeg­li­cher Lebens­er­fah­rung wider­spre­chen, dass die Klä­ge­rin bei Abga­be eines höhe­ren Kauf­preis­an­ge­bo­tes auf einen Mehr­erlös hät­te ver­zich­ten wol­len. Die Beklag­te M sei ihrer Ver­pflich­tung in kei­ner Wei­se gerecht gewor­den. Sie hät­te der Klä­ge­rin das Gebot von 245.000 EUR bewusst (!) vor­ent­hal­ten, um durch Abschluss einer Pro­vi­si­ons­ver­ein­ba­rung mit den Käu­fern ihren eige­nen Gewinn zu erhö­hen. Die Pro­vi­si­ons­ver­ein­ba­rung mit dem Käu­fer der Immo­bi­lie hät­te gegen die Rege­lun­gen aus dem Mak­ler­ver­trag ver­sto­ßen. K hät­te die Ver­ein­ba­rung auch nicht geneh­migt, weil sie die Hin­ter­grün­de nicht kann­te und ihr ver­schwie­gen wor­den sei, dass sie durch die­se Rege­lung einen um 15.000 EUR gerin­ge­ren Kauf­preis erzie­len wür­de. Dass Argu­ment einer erfolgs­ab­hän­gi­gen Innen­pro­vi­si­on ver­warf das Land­ge­richt eben­falls. Die­se sei im Mak­ler­ver­trag eben gera­de nicht ver­ein­bart wor­den, son­dern nur die tarif­be­ding­te Min­dest­pau­scha­le von 4.500 EUR.

Da die Beru­fung gegen das land­ge­richt­li­che Urteil erfolg­los blieb, das OLG die Argu­men­ta­ti­on des Aus­gangs­ge­richts viel­mehr bestä­tig­te, blieb M hier nur die Hoff­nung auf Leis­tun­gen aus der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rung. Auch die­se wur­de aber — aus nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den — ent­täuscht:

Bei der Rück­for­de­rung der von K gezahl­ten Mak­ler­pro­vi­si­on han­del­te es sich bereits nicht um die Gel­tend­ma­chung eines Ver­mö­gens­scha­dens „auf­grund gesetz­li­cher Haft­pflicht­be­stim­mun­gen“. M hat­te ihren Pro­vi­si­ons­an­spruch nach den Fest­stel­lun­gen der Gerich­te viel­mehr nach § 654 BGB ein­ge­büßt und die Pro­vi­si­on daher ohne recht­li­chen Grund erlangt, so dass ein berei­che­rungs­recht­li­cher Anspruch nach § 812 Abs. 1 BGB bestand. Klar­stel­lend sehen die Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen über­dies vor, dass Ansprü­che auf Rück­for­de­run­gen von Gebüh­ren oder Hono­ra­ren vom Ver­si­che­rungs­schutz aus­ge­nom­men sind.

Hin­sicht­lich der eigent­li­chen Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen aus dem ent­gan­ge­nen Ver­kaufs­er­lös, nahm der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht­ver­si­che­rer dage­gen eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung an. Das ließ sich nach den Ent­schei­dungs­grün­den des land­ge­richt­li­chen Urteils, die das OLG als zutref­fend bewer­te­te, lei­der auch nicht in Abre­de stel­len. Denn dort hieß es eben (s.o.) aus­drück­lich, dass M die Ange­bo­te über 245.000 EUR bewusst — also mit dem not­wen­di­gen Pflicht­ver­let­zungs­be­wusst­sein — vor­ent­hal­ten hät­te, um den eige­nen Gewinn zu erhö­hen. Zudem wies der Ver­si­che­rer berech­tig­ter­wei­se dar­auf hin, dass die Pflicht zur Mit­tei­lung von höhe­ren Kauf­preis­an­ge­bo­ten eine gegen­über dem Auf­trag­ge­ber zu erfül­len­de Kar­di­nals­pflicht sei und des­halb auch ohne Anse­hung der Ent­schei­dungs­grün­de auf eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung hät­te geschlos­sen wer­den kön­nen.

Fazit:

Die Klau­sel zum Aus­schluss wis­sent­li­cher Pflicht­ver­let­zun­gen hat gegen­über der gesetz­li­chen Rege­lung aus § 103 VVG sowohl Vor- als auch Nach­tei­le. So genügt – anders als bei § 103 VVG – nicht bereits Even­tu­al­vor­satz für die Leis­tungs­frei­heit des Ver­si­che­rers. Ande­rer­seits muss sich die Wis­sent­lich­keit nicht auf die Scha­dens­fol­gen bezie­hen. Im oben geschil­der­ten Fall hät­te aber wohl sowohl nach der gesetz­li­chen Rege­lung als auch nach den hier maß­geb­li­chen AVB kein Ver­si­che­rungs­schutz bestan­den. Denn auch eine vor­sätz­li­che Scha­den­ver­ur­sa­chung hät­te man hier wohl anneh­men kön­nen.

 

Über die Hans John Ver­si­che­rungs­mak­ler GmbH:

Die Hans John Ver­si­che­rungs­mak­ler GmbH aus Ham­burg bie­tet mit einem Kom­pe­tenz­team u. a. aus Voll­ju­ris­ten und Ver­si­che­rungs­kauf­leu­ten einen Voll­ser­vice in der Ver­mö­gens­scha­den-Haft­pflicht an – inklu­si­ve umfas­sen­der Betreu­ung im Scha­dens­fall. Die Hans John Ver­si­che­rungs­mak­ler GmbH ist seit Jah­ren einer der Markt­füh­rer in ihrem Seg­ment.

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Ass. jur. Rudolf Bau­er, LL.M. Ver­si­che­rungs­recht, Pro­ku­rist der Hans John Ver­si­che­rungs­mak­ler GmbH

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